Globale Studie: Zu viel Bildschirmzeit und Bewegungsmangel bei Kleinkindern
Eine neue globale Studie hat gezeigt, dass Kleinkinder weltweit oft zu viel Zeit vor Bildschirmen verbringen und sich zu wenig bewegen, auch wenn sie im Großen und Ganzen ausreichend Schlaf bekommen. Die Ergebnisse dieser Forschung sind besorgniserregend, da die frühe Kindheit als eine kritische Phase für die Entwicklung gesunder Gewohnheiten gilt, die das Wohlbefinden eines Menschen ein Leben lang prägen können.
Laut den internationalen Empfehlungen sollten Kinder unter fünf Jahren täglich mindestens drei Stunden körperliche Aktivität, darunter eine Stunde intensiver Bewegung, sowie maximal eine Stunde Bildschirmzeit haben. Außerdem wird empfohlen, dass sie 10 bis 13 Stunden Schlaf pro Tag bekommen. Doch die Studie, die in JAMA Pediatrics veröffentlicht wurde und rund 7.000 Kinder aus 33 Ländern einbezog, zeigt, dass nur 14,3 % der drei- und vierjährigen Kinder diese Anforderungen in allen Kategorien erfüllen.
Schlaf: Die Ausnahme im weltweiten Trend
Die Studie fand heraus, dass 81 % der Kinder die Schlafempfehlungen erfüllen, was die überwiegende Mehrheit ausmacht. Schlaf scheint also die Ausnahme im Vergleich zu den beiden anderen Bereichen – Bewegung und Bildschirmzeit – zu sein. Diese Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung, da Schlaf eine entscheidende Rolle in der kognitiven und körperlichen Entwicklung von Kleinkindern spielt.
Bewegungsmangel und exzessive Bildschirmnutzung
Während der Schlaf größtenteils den Empfehlungen entspricht, schneiden Kinder in den Bereichen körperliche Aktivität und Bildschirmnutzung weitaus schlechter ab. Nur 49,2 % der Kinder erreichen das empfohlene Maß an Bewegung, während lediglich 41,8 % die Richtlinien zur Bildschirmzeit einhalten. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der moderne Lebensstil, der stark durch digitale Medien geprägt ist, selbst bei den Jüngsten deutliche Spuren hinterlässt.
Dr. Sarah Rose, Entwicklungspsychologin an der Staffordshire University im Vereinigten Königreich, die nicht an der Studie beteiligt war, erklärte gegenüber Euronews Health, dass es besonders wichtig sei, den Grad zu untersuchen, in dem Kinder diese Richtlinien in verschiedenen Ländern einhalten. Sie betonte, dass diese Erkenntnisse dazu beitragen könnten, Veränderungen zu bewirken und das Bewusstsein für die Auswirkungen eines unausgewogenen Lebensstils zu schärfen.
Regionale Unterschiede: Europa und Afrika vorne
Interessanterweise zeigt die Studie, dass die Situation in einigen Regionen besser ist als in anderen. Europa und Afrika schneiden in Bezug auf das Erreichen der drei Benchmarks etwas besser ab. In beiden Regionen erfüllen etwa 23,5 % der Kinder die Anforderungen in allen Kategorien, was deutlich höher ist als der globale Durchschnitt. In Europa begrenzen 50 % der Kinder ihre Bildschirmzeit auf ein gesundes Maß, und 53,5 % bekommen genug Bewegung. Fast alle Kinder in Europa (94,7 %) schlafen ausreichend, was diese Region in diesem Aspekt hervorhebt.
Es gibt jedoch Geschlechterunterschiede: Europäische Mädchen halten die Bildschirmzeitvorgaben eher ein als Jungen, bewegen sich jedoch weniger. Dies weist darauf hin, dass Geschlechterrollen und Erwartungen möglicherweise eine Rolle dabei spielen, wie Kinder ihren Alltag gestalten, und zeigt, dass noch weitere Forschung nötig ist, um diesen Unterschied besser zu verstehen.
Nord- und Südamerika: Der Zwiespalt zwischen Bewegung und Bildschirmnutzung
Interessanterweise zeigen Nord- und Südamerika die größten Unterschiede in den Verhaltensweisen von Kindern. In diesen Regionen erreichen zwei von drei Kindern die Empfehlungen zur körperlichen Aktivität – das ist die höchste Quote aller untersuchten Regionen. Gleichzeitig verbringen Kinder in diesen Regionen jedoch auch die meiste Zeit vor Bildschirmen, und nur 17 % halten die Bildschirmzeit-Richtlinien ein. Dies verdeutlicht, dass Kinder trotz ausreichend körperlicher Aktivität zu viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, was langfristige Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben könnte.
Dr. Rose weist darauf hin, dass diese Daten ein differenzierteres Bild von Bildschirmzeit und Bewegung aufzeigen, als man vielleicht annehmen würde. Viele glauben, dass Kinder, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, sich nicht ausreichend bewegen, doch die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass es nicht immer so einfach ist. Einige Kinder könnten durchaus aktiv sein und dennoch zu viel Zeit mit digitalen Geräten verbringen.
Bildschirmzeit und Entwicklung: Eine Verbindung, aber keine eindeutige Ursache
Eine der größten Sorgen im Zusammenhang mit zu viel Bildschirmzeit sind mögliche Entwicklungsverzögerungen bei Kleinkindern. Frühere Studien haben gezeigt, dass Kinder, die im Alter von einem Jahr viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, im Alter von zwei und vier Jahren eher Entwicklungsprobleme aufweisen. Allerdings ist es noch unklar, ob die Bildschirmzeit direkt diese Verzögerungen verursacht oder ob andere Faktoren eine Rolle spielen.
Europäische Maßnahmen zur Begrenzung der Bildschirmzeit
Angesichts dieser besorgniserregenden Trends haben einige europäische Länder begonnen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Bildschirmzeit von Kindern zu begrenzen. Schweden empfahl kürzlich, Bildschirme für Kinder unter zwei Jahren ganz zu verbieten, während Irland ähnliche Richtlinien für Babys bis 18 Monate eingeführt hat. Die französische Regierung empfiehlt, dass Kinder unter drei Jahren gar keine Bildschirmzeit haben sollten, und dass die Nutzung von Bildschirmen bis zum Alter von sechs Jahren stark begrenzt werden sollte.
Andere Länder, wie China, gehen sogar noch weiter. China hat strenge Vorschriften erlassen, die die Nutzung von Online-Spielen für Kinder stark einschränken. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Kinder vor den potenziellen negativen Auswirkungen von übermäßigem Medienkonsum zu schützen.
Ein kritischer Blick auf die Bildschirmzeit-Empfehlungen
Dennoch gibt es auch Kritiker dieser strengeren Maßnahmen. Forscher der Lund University in Schweden argumentieren, dass es in der heutigen digitalen Welt nahezu unmöglich sei, Kinder vollständig von Bildschirmen fernzuhalten. Die Null-Toleranz-Politik in Bezug auf Bildschirme könnte Eltern unnötig unter Druck setzen und dazu führen, dass sie sich schuldig oder überfordert fühlen, anstatt ihnen zu helfen, die Bildschirmnutzung sinnvoll zu reduzieren.
Dr. Rose fügt hinzu, dass die aktuellen Richtlinien zur Bildschirmzeit oft zu vereinfacht sind. Sie berücksichtigen nicht immer die Qualität der Bildschirmzeit. Nicht alle Bildschirmnutzungen sind gleich; Aktivitäten wie Videoanrufe mit Großeltern oder das Ansehen von Bildungsprogrammen können wertvolle Erfahrungen für Kinder darstellen. Eltern bräuchten mehr Unterstützung und Anleitung, um zu lernen, wie sie Bildschirmzeit auf sinnvolle und gesunde Weise in den Alltag ihrer Kinder integrieren können.
Ein ausgewogener Ansatz für die Zukunft
Die Studie unterstreicht, dass die frühe Kindheit eine entscheidende Phase ist, in der gesunde Gewohnheiten etabliert werden. Diese Gewohnheiten haben das Potenzial, die langfristige Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder nachhaltig zu beeinflussen. Es bleibt eine Herausforderung für Regierungen, Gesundheitsexperten und Eltern, Strategien zu entwickeln, um sicherzustellen, dass Kinder genug Schlaf und Bewegung bekommen und gleichzeitig die Bildschirmzeit in einem gesunden Rahmen bleibt.
Die Studie zeigt, dass es möglich ist, dass Kinder ausreichend Bewegung und Schlaf bekommen, aber die übermäßige Bildschirmnutzung stellt eine zunehmende Herausforderung dar. Es ist entscheidend, dass künftige Richtlinien und Maßnahmen nicht nur darauf abzielen, die Zeit zu begrenzen, die Kinder vor Bildschirmen verbringen, sondern auch die Art der Bildschirmnutzung zu berücksichtigen und Eltern hilfreiche Ratschläge zu geben, wie sie Technologie sinnvoll einsetzen können.
Informationsquelle: who . int