Wenn Hilfe plötzlich verstummt
Als die Gesundheitshelfer aufhörten, Ratna Jamni in ihrem Haus in Pakistan zu besuchen, veränderte sich ihr Leben schlagartig. Die 40-jährige Frau, die an medikamentenresistenter Tuberkulose leidet, musste sich nun selbst zur Klinik schleppen – ein schmerzvoller Weg, Schritt für Schritt, während ihr schon das bloße Stehen unerträglich erscheint. Monatelang hatte sie nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch seelische Unterstützung erhalten – bis die Besuche von einem Tag auf den anderen ausblieben.
„Jede Reise dorthin ist eine Tortur. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchstehen kann“, berichtet sie. Der Weg sei weit, der Körper schwach und jeder Atemzug schwerer als der vorige. Manchmal frage sie sich, ob es überhaupt noch Sinn habe weiterzukämpfen. Sie wünsche sich nur noch, dass das Leiden ein Ende findet – durch Rückkehr der Hilfe oder durch das Aufhören des Schmerzes.
Eine Krankheit, die nicht verschwindet
Tuberkulose – eine bakterielle Infektion, meist in der Lunge – ist nach wie vor die tödlichste Infektionskrankheit der Welt. Im Jahr 2023 forderte sie laut WHO 1,25 Millionen Todesopfer. Dabei lässt sie sich mit der richtigen Behandlung gut kontrollieren oder sogar vollständig heilen. Doch ohne Therapie liegt die Sterblichkeitsrate bei nahezu 50 Prozent.
Jamnis Behandlung war Teil eines breit angelegten Programms der US-Behörde USAID. Doch diese Unterstützung wurde durch plötzliche politische Entscheidungen eingefroren und drastisch gekürzt – mit dramatischen Folgen für zehntausende Patienten weltweit.
Plötzliche Kürzungen mit globalen Folgen
Die Trump-Regierung setzte im Januar überraschend große Teile des USAID-Budgets außer Kraft. Seitdem ist die medizinische Versorgung in vielen Ländern massiv beeinträchtigt. Laut einem Modell der UN-nahen Initiative Stop TB Partnership sind bereits in nur zwei Monaten über 11.000 zusätzliche Menschen an TB gestorben – allein, weil sie keine Medikamente oder Betreuung mehr erhielten. Und der Trend zeigt nach oben: Die TB-Infektionen könnten weltweit um bis zu 32 Prozent steigen.
Auch wenn das US-Außenministerium betont, dass in mehreren Ländern weiterhin Programme laufen – der Schaden ist angerichtet. Vielerorts waren USAID-Gelder das Rückgrat der Versorgung – sowohl durch staatliche als auch durch nichtstaatliche Organisationen. Besonders in Ländern mit hoher HIV-Rate war das entscheidend, denn Tuberkulose ist für HIV-Infizierte die häufigste Todesursache.
Gesundheitsnetze brechen zusammen
In Ländern wie Mosambik, Pakistan oder Kambodscha sind ganze Diagnose- und Medikamentenketten zusammengebrochen. In Mosambik können derzeit in großen Teilen des Landes keine TB-Tests durchgeführt werden – weil Laborproben nicht mehr transportiert werden können. Auch Programme wie das Global Drug Facility, das weltweit bezahlbare Medikamente bereitstellt, kämpfen mit Engpässen.
Neun Länder berichteten laut WHO, dass sie derzeit keine Medikamente mehr beschaffen können – ein alarmierender Zustand, der die Versorgung akuter Patienten gefährdet. Und es trifft besonders jene, die ohnehin wenig haben: Menschen in Armut, auf dem Land oder in sozialen Randgruppen, die auf aufsuchende medizinische Hilfe angewiesen sind.
Verlorene Zeit in der Tuberkulose-Bekämpfung
Ein besonders eindrückliches Beispiel kommt aus Kambodscha: Dort hatte die Organisation KHANA über fünf Jahre hinweg mehr als 780.000 Menschen in abgelegenen Regionen untersucht, Tausende Kontaktpersonen nachverfolgt und Hunderte Patienten mit multiresistenter TB unterstützt. Seit der Finanzkürzung steht dieses Programm still – mit fatalen Konsequenzen. Die gemeldeten Fälle sind von rund 800 im Monat auf 250 eingebrochen. Das bedeutet nicht, dass es weniger Erkrankte gibt – sie bleiben nur unentdeckt und unbehandelt, während sich die Krankheit weiterverbreitet.
In Nigeria berichtet ein Gesundheitsbeamter, dass sein Team – zuvor aktiv unter nomadischen Gruppen – nun zwei Drittel der betroffenen Bevölkerung nicht mehr erreichen kann. Die Menschen selbst fragen bereits nach, wann endlich wieder jemand kommt.
Gefahr einer unheilbaren Form der Krankheit
Das abrupte Beenden von Therapien ist nicht nur grausam – es ist gefährlich. Denn Patienten, die ihre Medikamente nicht regelmäßig nehmen können, laufen Gefahr, resistente Erreger zu entwickeln. Diese mutierten Formen der TB sind kaum noch behandelbar. Besonders erschreckend: Berichte aus Uganda zeigen, dass sich Patienten ihre Dosis teilen – etwa zwischen Ehepartnern –, weil nicht genügend Medikamente da sind. Andere trauen sich wegen sozialer Stigmatisierung nicht mehr in die überfüllten öffentlichen Kliniken.
Die Gefahr ist real: Wenn die Krankheit nicht gestoppt wird, breitet sie sich auch in Ländern mit bislang niedriger TB-Rate aus. In den USA etwa liegt die Quote noch bei 2,9 Fällen pro 100.000 Menschen. Doch bereits im Januar kam es im Großraum Kansas City zu einem Ausbruch mit mehreren Toten. Und auch in Europa stieg die Zahl der kindlichen TB-Erkrankungen zuletzt um zehn Prozent.
Einsparungen, die teuer werden
Experten wie Dr. Kenneth Castro warnen: Diese Kürzungen kommen der Welt teuer zu stehen. Denn die Kosten, die später durch das Wiederaufbauen von Strukturen, das Behandeln resistenter Fälle und das Eindämmen neuer Ausbrüche entstehen, sind weitaus höher als die eingesparten Mittel. Die Ironie ist bitter: Gespart wird kurzfristig – gezahlt wird langfristig mit Leben.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Warum wurden Tuberkulose-Hilfsprogramme plötzlich gestoppt?
Die US-Regierung unter Trump kürzte Anfang des Jahres überraschend große Teile des USAID-Budgets. Dadurch brachen viele internationale Gesundheitsprojekte abrupt ab.
Was ist das Risiko beim Abbruch einer TB-Therapie?
Patienten, die ihre Medikamente nicht regelmäßig einnehmen können, entwickeln häufiger resistente TB-Erreger. Diese Formen sind deutlich schwerer behandelbar und stellen ein globales Gesundheitsrisiko dar.
Wie gefährlich ist Tuberkulose heute noch?
Sehr gefährlich. TB ist laut WHO weiterhin die tödlichste Infektionskrankheit weltweit und fordert jährlich über eine Million Todesopfer – besonders in ärmeren Ländern.
Welche Länder sind aktuell am stärksten betroffen?
Länder wie Pakistan, Mosambik, Kambodscha, Uganda und Nigeria berichten über massive Versorgungsprobleme – sowohl bei Diagnostik als auch bei der Medikamentenversorgung.
Könnte sich TB auch in Europa oder den USA wieder stärker ausbreiten?
Ja. Erste Ausbrüche – wie kürzlich in Kansas City – zeigen, dass auch Länder mit niedriger TB-Rate betroffen sein können, wenn die Krankheit nicht global kontrolliert wird.