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Immunkrankheiten verstehen Wie EU-Forschung Umweltfaktoren und personalisierte Medizin vorantreibt

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Umweltfaktoren und Immunkrankheiten: Wie Forschung unser Verständnis revolutioniert
Der ungewöhnliche Beginn: Warum finnische Forscher Fußmatten untersuchten
In den Jahren 2015 und 2016 widmete sich eine Gruppe von Wissenschaftlern in Finnland einem ungewöhnlichen Forschungsgegenstand: Fußmatten. Hinter diesem scheinbar kuriosen Ansatz steckte ein ernstes Ziel – die Frage, ob eine größere Vielfalt von Mikroben, wie sie in ländlichen Gebieten vorkommt, vor der Entwicklung von Typ-1-Diabetes schützen könnte. Diese Autoimmunerkrankung betrifft Millionen von Menschen weltweit und beginnt oft früh im Leben.

Die Forscher sammelten Proben von Fußmatten aus Haushalten von Kleinkindern in verschiedenen Regionen Finnlands. Fußmatten wurden gewählt, weil sie eine Vielzahl von Umweltmikroben aufnehmen, die Menschen beim Betreten des Hauses mitbringen. Die Untersuchungen ergaben, dass ländliche Regionen mit weniger Schneedecke eine größere mikrobielle Vielfalt aufwiesen, was oft mit gesundheitlichen Vorteilen assoziiert wird. Schneebedeckte Gebiete hingegen hatten eine deutlich geringere Vielfalt.

Das HEDIMED-Projekt: Exposom-Forschung für die Gesundheit
Die Fußmattenstudie ist Teil des EU-finanzierten Projekts HEDIMED (Human Exposomic Determinants of Immune Mediated Diseases), das bis Ende 2024 läuft. Dieses Projekt untersucht die Verbindung zwischen Umweltfaktoren – dem sogenannten Exposom – und Immunkrankheiten wie Allergien, Asthma und Diabetes. Das Exposom umfasst eine Vielzahl von Einflüssen, darunter Mikroben, Luftqualität, Chemikalien, Ernährung und Verstädterung.

Der Leiter des Projekts, Professor Heikki Hyöty von der Universität Tampere, erklärt, dass das Ziel darin besteht, zu verstehen, wie Umweltfaktoren die Gesundheit des Immunsystems beeinflussen. Durch die Analyse der mikrobiellen Vielfalt in ländlichen und städtischen Gebieten wurde deutlich, dass die Gesundheit des Mikrobioms stark von lokalen Bedingungen abhängt, einschließlich des Klimas.

Mikroben, Landwirtschaft und Gesundheit
Wie sich die Landwirtschaft auf das Mikrobiom auswirkt
In einer weiteren Studie innerhalb des HEDIMED-Projekts untersuchten die Forscher, wie unterschiedliche landwirtschaftliche Methoden die mikrobielle Vielfalt in Lebensmitteln beeinflussen. Wild gewachsene oder in privaten Gärten angebaute Äpfel und Blaubeeren hatten eine wesentlich größere mikrobielle Vielfalt als solche aus der kommerziellen Landwirtschaft.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass Anbaumethoden und Standortwahl eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Mikrobioms spielen, das wiederum Einfluss auf Immunkrankheiten haben könnte. In zukünftigen Studien wollen die Forscher diese Verbindungen weiter untersuchen und herausfinden, wie sich diese Erkenntnisse für eine präventive Gesundheitspolitik nutzen lassen.

Das große Bild: Das Europäische Human-Exposom-Netzwerk
Eine globale Initiative zur Erforschung von Umweltfaktoren
HEDIMED ist Teil des Europäischen Human-Exposom-Netzwerks (EHEN), das neun EU-Forschungsprojekte umfasst. Dieses Netzwerk ist die weltweit größte Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und zielt darauf ab, den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Gesundheit besser zu verstehen.

Immunkrankheiten wie Allergien, Asthma und Autoimmunerkrankungen betreffen weltweit Millionen von Menschen. Dennoch sind die Ursachen oft unklar, und die Forschung konzentrierte sich lange Zeit ausschließlich auf genetische Faktoren. Hyöty betont jedoch, dass Umweltfaktoren eine zentrale Rolle spielen. „Wenn wir herausfinden können, welche Umweltfaktoren die Zunahme dieser Krankheiten erklären, können wir möglicherweise auch Wege finden, sie zu verhindern“, sagt er.

Personalisierte Medizin: Ein neuer Ansatz zur Behandlung von Immunkrankheiten
Das 3TR-Projekt: Molekulare Mechanismen verstehen
Neben HEDIMED widmet sich das EU-finanzierte Projekt 3TR der personalisierten Medizin bei Immunkrankheiten. Unter der Leitung von Dr. Marta Alarcón-Riquelme vom GENYO-Zentrum in Spanien verfolgt das Projekt einen neuen Ansatz: Es untersucht molekulare Mechanismen, die die individuelle Reaktion von Patienten auf Therapien beeinflussen, anstatt Krankheiten nur nach ihren Auswirkungen auf Organe zu klassifizieren.

3TR konzentriert sich auf sieben schwere Immunkrankheiten, darunter Asthma, Morbus Crohn, Lupus und multiple Sklerose. Ziel ist es, molekulare Signaturen zu identifizieren, die vorhersagen können, wie Patienten auf bestimmte Behandlungen ansprechen.

Maßgeschneiderte Therapien: Der Weg zur besseren Versorgung
Die Forschung zeigt, dass Patienten mit denselben Diagnosen oft unterschiedlich auf die gleiche Behandlung reagieren. Das führt zu einer mühsamen „Trial-and-Error“-Phase, die wertvolle Zeit kosten kann. 3TR arbeitet daran, dieses Problem zu lösen, indem es molekulare Marker für Therapieerfolge identifiziert.

Die Ergebnisse könnten bahnbrechend sein. Mit personalisierten Therapien könnten Patienten gezielt und schneller behandelt werden, wodurch die Schwere der Krankheit reduziert oder sogar eine Prävention ermöglicht wird. „Die Idee ist, dass wir durch molekulare Signaturen erkennen können, welche Behandlung für einen bestimmten Patienten am besten funktioniert“, erklärt Alarcón-Riquelme.

Fortschritte und Zukunftsaussichten
Hoffnung auf neue Durchbrüche
Beide Projekte – HEDIMED und 3TR – zeigen, wie entscheidend die Verbindung von Umweltfaktoren und molekularen Erkenntnissen für die Gesundheitsversorgung der Zukunft sein kann. Die Forschungsergebnisse könnten dazu beitragen, Immunkrankheiten besser zu verstehen, frühzeitig zu erkennen und effektiver zu behandeln.

Hyöty hofft, dass HEDIMED einen gemeinsamen Umweltfaktor identifizieren kann, der mehrere Immunkrankheiten beeinflusst. „Selbst ein einzelner gemeinsamer Faktor könnte einen riesigen Durchbruch bedeuten“, sagt er. Gleichzeitig arbeitet das 3TR-Team daran, personalisierte Behandlungen Realität werden zu lassen, um die Lebensqualität von Millionen Betroffenen zu verbessern.

Mit diesen Projekten steht Europa an der Spitze der globalen Forschung zu Immunkrankheiten – und bietet Hoffnung auf eine gesündere Zukunft für alle.

Informationsquelle: who . int