Gesundes Schulessen: Eine Revolution beginnt in Europas Kantinen
Leuven: Wo Schulessen neu gedacht wird
In der belgischen Stadt Leuven läutet die Mittagspause an der Grundschule Sancta Maria eine kulinarische Revolution ein. Statt klassischer Pausenbrote erhalten die Kinder täglich frisch zubereitete, warme, biologische und vegetarische Mahlzeiten. Diese werden mit dem Fahrrad aus einer nahegelegenen Küche geliefert – dem Foodatelier César, einer Initiative, die von einem engagierten Elternteil ins Leben gerufen wurde.
Die Kinder sind Teil des EU-finanzierten Projekts SchoolFood4Change, das bis Ende 2025 läuft. Ziel des Projekts ist es, das Schulessen in Europa gesünder und nachhaltiger zu gestalten. Insgesamt nehmen 3.000 Schulen und 600.000 Kinder aus 12 EU-Ländern teil. Neben Belgien gehören dazu unter anderem Österreich, Deutschland, Frankreich und Schweden.
Die Bedeutung einer gesunden Ernährung in der Schule
Gesunde Mahlzeiten sind besonders wichtig, da die Zahl der übergewichtigen Kinder in Europa weiter steigt. Laut der Weltgesundheitsorganisation ist jedes dritte Kind übergewichtig oder adipös – eine besorgniserregende Entwicklung, die langfristig zu chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Problemen führen kann. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf die Umwelt. SchoolFood4Change will junge Menschen dazu inspirieren, gesunde und nachhaltige Essgewohnheiten zu entwickeln, die sowohl ihrer Gesundheit als auch der Natur zugutekommen.
Ein ganzheitlicher Ansatz: Mehr als nur gesundes Essen
Vom Feld bis auf den Teller
Das Projekt verfolgt einen „Whole School Food“-Ansatz, der nicht nur die Qualität der Mahlzeiten, sondern den gesamten Prozess hinterfragt: Woher kommen die Lebensmittel? Wer produziert sie? Wie werden sie zubereitet? ICLEI, ein globales Netzwerk lokaler und regionaler Regierungen, leitet die Initiative.
„Es geht nicht nur darum, Essen auf den Tisch zu bringen“, erklärt Amalia Ochoa, Leiterin der nachhaltigen Ernährungssysteme bei ICLEI. „Wir möchten auch Schulen, Landwirte und Caterer zusammenbringen, um eine gesunde und nachhaltige Esskultur zu schaffen.“
Zu den Maßnahmen gehören die Zusammenarbeit mit lokalen Landwirten, die Schulung von Küchenpersonal und die Integration von Kindern in den gesamten Prozess. So lernen sie, woher ihr Essen kommt, und entwickeln eine größere Wertschätzung für gesunde Ernährung.
Unterstützung für benachteiligte Kinder
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Unterstützung von sozial benachteiligten Kindern. Laut EU-Daten aus dem Jahr 2022 ist fast jedes vierte Kind in Europa von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Für viele dieser Kinder ist das Schulmittagessen die einzige ausgewogene Mahlzeit des Tages. Manche Schulen bieten sogar Frühstück an, da viele Kinder mit leerem Magen zur Schule kommen.
Adipositas und die Rolle der sozialen Ungleichheit
Armut als Risikofaktor
Das EU-finanzierte Forschungsprojekt STOP, das 2022 abgeschlossen wurde, untersuchte die Ursachen von Adipositas bei Kindern. Ein zentrales Ergebnis: Die Wurzeln von Übergewicht reichen oft bis in die Schwangerschaft der Mutter zurück. Die Gesundheit der Eltern – insbesondere der Mutter – vor und während der Schwangerschaft spielt eine entscheidende Rolle.
Zudem verstärken sozioökonomische Faktoren das Problem. In einkommensschwachen Gegenden mangelt es oft an Grünflächen und sicheren Spielplätzen. Gleichzeitig gibt es dort überdurchschnittlich viele Fast-Food-Läden und wenig Zugang zu frischen, gesunden Lebensmitteln.
Maßnahmen zur Prävention
Professor Franco Sassi vom Imperial College London, der das Projekt leitete, betont die Bedeutung von Regulierung: „Maßnahmen wie Steuern auf zuckerhaltige Getränke oder Anreize für die Industrie, ihre Produkte gesünder zu gestalten, können einen großen Unterschied machen.“ Ein Beispiel ist Großbritannien, wo eine Zuckersteuer den Zuckergehalt in Getränken um 40 % senkte. Solche Maßnahmen könnten auch auf andere Lebensmittel ausgeweitet werden.
Technologie und Innovation: Neue Ansätze für die Prävention
Digitale Unterstützung für Eltern
Im Rahmen von STOP wurde eine App getestet, die Eltern von Vorschulkindern hilft, die Ernährung und Bewegung ihrer Kinder zu verbessern. Die App ermöglicht es, den Konsum von Zucker, Obst, Gemüse und Getränken zu protokollieren. Am Ende jeder Woche erhalten die Eltern Feedback und Tipps. Erste Tests in Rumänien, Spanien und Schweden zeigen, dass solche digitalen Werkzeuge vielversprechend sind, um Übergewicht frühzeitig zu bekämpfen.
Sportprogramme in Schulen
Ein weiteres Erfolgsmodell stammt aus Slowenien: Ein Schulprogramm, das den Zugang zu Sport fördert und die Fitness der Schüler regelmäßig überwacht, dient als Vorbild für andere Länder. Solche Programme kosten zwar Geld, doch Sassi sieht sie als langfristige Investition in die öffentliche Gesundheit.
Kreativität und Akzeptanz: Kinder für gesunde Ernährung begeistern
Kleine Anreize, große Wirkung
Zurück in Leuven zeigt sich, dass ein wenig Kreativität den Unterschied machen kann. An einer der teilnehmenden Schulen erhalten Kinder, die sich trauen, ein neues Gericht zu probieren, einen goldfarbenen Löffel als Anerkennung. „Besonders für die jüngeren Kinder ist das ein echter Motivationsschub“, erklärt Tom Berghmans, der die Initiative in Leuven leitet.
Eine gesunde Zukunft für Europas Kinder
Projekte wie SchoolFood4Change und STOP zeigen, dass eine Kombination aus Innovation, Bildung und Engagement zu einer gesünderen Zukunft führen kann. Von verbesserten Schulmahlzeiten bis hin zu technologischen Hilfsmitteln und Bewegungsprogrammen – diese Ansätze legen den Grundstein für langfristige Verbesserungen in der öffentlichen Gesundheit.
Mit einem ganzheitlichen Blick auf Ernährung, sozialen Kontext und Bildung wird eine Zukunft greifbar, in der jedes Kind die Chance auf ein gesundes Leben hat.
Informationsquelle: who . int