Der Kampf der amerikanischen Allergologen um berufliche Anerkennung
Am Kampf der amerikanischen Allergologen um berufliche Anerkennung wird deutlich, dass das schnelle Wachstum der klinischen Allergologie im frühen 20. Jahrhundert weder unproblematisch noch unangefochten war. So belegt gerade die Frühgeschichte der klinischen Allergologie in Großbritannien die großen Sorgen angesichts der von Allergologen praktizierten klinischen Medizin, insbesondere was die Sicherheit und Wirkung der Desensibilisierung und eine mögliche Profitgier anging. Zum einen passte Freemans unkonventionelle Mischung von klinischer Praxis und Laborstudien nicht immer gut zu dem wachsenden Stellenwert und Fachinteresse an ausführlicherer Erprobung und besserer Reglementierung neuer Medikamente. Sein ganzes Leben lang blieb Freeman ein glühender Empiriker, der klinische Experimente (oder die „Selbsterfahrungsmethode“) für wesentlich wichtiger hielt als Theorien oder statistische Belege.
Das wird nicht nur an seinen anpassungsfähigen Ansätzen zur Festlegung therapeutischer Dosierungen bei bestimmten Patienten deutlich, sondern auch an seinen genauen
Beschreibungen der klinischen Symptome von Allergiepatienten (z. B. der „allergischen Nase“) und an seinen Schriften, die eher mit persönlichen Fallstudien und Anekdoten angereichert werden, als mit Bildern und Grafiken. Indem er auf den für einige britische Ärzte jener Zeit typischen ganzheitlichen Ansatz hinwies und selbstbewusst eine Anerkennung der Individualität forderte, die immunologischen Untersuchungen in wachsendem Maße abhanden kam, warnte Freeman zugleich davor, klinische Diagnosen lediglich aufgrund der Ansammlung von Fallbeispielen zu stellen:
Zusammengefasst bedeutet das, man darf menschliche Wesen nicht als bloße Fälle ansehen – als Heuschnupfenfälle oder was auch immer. Man muss der traditionellen medizinischen Maxime folgen, „den Einzelnen zu berücksichtigen“ und alle seine gegenwärtigen besonderen Umstände. Das gilt genauso für uns Ärzte, die wir in Laboren tätig sind, wie für diejenigen, die nie eines betreten haben. Das ist besonders wichtig, wenn man entscheiden muss, ob der Patient, auch wenn er zweifellos gegen Graspollen anfällig ist, wirklich für eine Desensibilisierungsbehandlung geeignet ist.
Wie sein Mentor Sir Almroth Wright war Freeman ein großer Verfechter einer engen Zusammenarbeit von Labor und Krankenhaus, die er als „symbiotisch“ ansah. 1948, als die durch den National Health Service Act (Gesundheitsdienstverordnung) bedingten administrativen Änderungen die Autonomie der Abteilung bedrohten, betonte Freeman vor seinen Vorstandskollegen, wie wichtig es wäre, „nicht die Klinik von den Laboren zu trennen“. Auch in seiner tiefen Skepsis an der vermehrten staatlichen Kontrolle der Medizin folgte Freeman Wright. In nostalgischer Erinnerung an die intellektuelle Freiheit, die er in St. Mary’s während seiner Berufslaufbahn genossen hatte, und seine Verehrung für Wright deutlich zum Ausdruck bringend, kritisierte Freeman die Einflussnahme des Gesundheitsministeriums:
Können die Arbeitsmöglichkeiten, die uns Wright geboten hat, jemals wiederkehren? Je näher ich ans Ende dieses Buches gelange, desto mehr bezweifele ich, dass eine so uneingeschränkte und unbeeinflusste Forschung, wie ich sie hier beschreibe, in einer geplanten und deswegen stereotypisierten Gesellschaft Platz haben würde. Gäbe es wohl in der schönen neuen Welt Platz für einen unkonventionellen Almroth Wright?
Hinsichtlich der oft schwierigen Beziehung zwischen Almroth Wright und dem Medical Research Council waren Freemans Befürchtungen, die freie Forschung würde durch die Grenzziehungen der modernen Welt gefährdet, vielleicht durchaus begründet. Obwohl die britische Regierung auf Vorschlag des Council einige Forschungsprojekte zu allergischen Krankheiten Mitte des 20. Jahrhunderts unterstützte, gibt es Anzeichen dafür, dass das Council tatsächlich nicht gerne Forschungen zuließ, die keine nachprüfbaren wissenschaftlichen Ergebnisse versprachen. In diesem Zusammenhang bestand die Hauptbedrohung für Freemans Stil der klinischen Praxis in St. Mary’s in der Einführung von offiziellen Verfahren zur genauen Evaluation der Wirksamkeit, Wirkungsweise und Sicherheit verschiedener Behandlungsmethoden. Die Desensibilisierung wurde seit ihrer Entwicklung durch Noon und Freeman im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts von lebhaften Auseinadersetzungen über diese Themen geplagt, was Allergologen in immer stärkerem Maße den Vorwurf der Quacksalberei und Geldschneiderei einbrachte.
Offenkundig bestand sogar unter den Befürwortern der prophylaktischen und therapeutischen Impfung immer wieder Uneinigkeit über viele praktische Aspekte der Behandlung. Kurz nach Noons und Freemans anfänglichen Mitteilungen bediente sich B. P. Sormani, ein Lehrbeauftragter an der Universität von Amsterdam, der Grundsätze von Almroth Wright und verwies auf seine eigenen experimentellen Erkenntnisse, um „Noons Dosierungsmethoden“ zu diskreditieren und alternative Wege zur Herstellung von Pollenextrakten zur Behandlung von Heuschnupfen vorzuschlagen. Sormanis Artikel in der Lancet wurde prompt von Freeman brieflich abgetan. So behauptete er, „im Wesentlichen“ mit Sormanis generellem Vorschlag „übereinzustimmen“, lehnte dessen Einwände gegen seine Methode jedoch entschieden ab und fuhr fort, eine pragmatisch ausgerichtete, jedoch ungenaue Dosierung anzuwenden, die auf der klinischen Untersuchung basierte.
Die Unterschiede bei der Standardisierung spezifischer Pollenextrakte wurden von den Auseinandersetzungen über die Dosierung noch verstärkt. Freeman und seine Schützlinge wandten die Nooneinheit an, „gleich der Menge von Extrakt, die aus einem millionstel Gramm der Pollen von Phleum pratense gewonnen werden kann“. Ohne die britische Methode gänzlich abzulehnen, zogen es amerikanische Allergologen wie Robert Cooke vor, die Extrakte nach ihrem Stickstoffgehalt zu bestimmen, ein Verfahren, das angeblich „Präparate von gleicher und gleichmäßiger Toxizität“ hervorbrachte. Es ist bezeichnend, dass die industriell hergestellten Allergenextrakte dieses Problem eher noch zu verstärken als zu verringern schienen. 1930 beklagte sich Freeman, dass die von „mehreren erstklassigen Firmen“ angebotenen Sätze von „Proteinreagenzien“ für diagnostische Tests schnell „schlecht werden können und dann nur eine sehr schwache oder gar keine Reaktion hervorrufen“. Jüngste Debatten belegen, dass diese Sorge nicht schwand. Der uneinheitliche Standard für den Handel hergestellter Allergenextrakte zur Diagnose und Behandlung rief nicht nur weiterhin Befürchtungen unter Allergologen hervor, sondern wurde auch zu einem Hauptthema des Committee on Safety of Medicines (Ausschuss für Arzneimittelsicherheit), der 1986 darauf hinwies, dass eine „verwirrende Anzahl von verschiedenen Methoden angewandt werden, um den Allergengehalt der gegenwärtig vertriebenen Produkte deutlich zu machen“, und der davor warnte, dass das „Fehlen einer Standardmethode bedeutet, dass Produkte mit denselben Allergenen nicht untereinander austauschbar sind“.
Das Fehlen von standardisierten Allergenextrakten ging Hand in Hand mit Inkonsequenzen bei der Diagnose. Während die meisten Autoren regelmäßig darin übereinstimmten, es sei eine genaue Feststellung von spezifischen allergischen Anfähigkeiten nötig, wurden in der Praxis die unterschiedlichsten diagnostischen Tests durchgeführt. Laut Freeman, der sich 1930 einen Überblick über das Gebiet verschaffte, konnte die Diagnose durch das Aufträgen von Allergenen im Auge, auf den Lippen und auf der Haut (entweder durch einen Kratz- oder Stichtest oder durch eine intrakutane Injektion) geschehen, oder durch die Prausnitz-Küstner-Reaktion, das heißt durch den Nachweis spezifischer Antikörper nach passiver Übertragung. Die jeweiligen Vorteile dieser Diagnosemethoden und die genauen klinischen Folgen dieser Ergebnisse, wurden nur selten überprüft und ihr klinischer Wert wurde regelmäßig infrage gestellt. Obwohl Freeman Hauttests zur Diagnose und Überwachung des Prozesses und der Wirksamkeit der Behandlung befürwortete, musste selbst er zugeben, dass ihnen „zuviel medizinische Wirkung zugeschrieben wurde. Was ihren klinischen Nutzen angeht, haben sie sich fast zu einem jener medizinischen Rituale entwickelt, das einem Gesundbeten gleichkommt.“
Die Inkonsequenzen bei Diagnoseverfahren und Allergenpräparaten spiegelte sich in den ungeheuren Unterschieden bei den Behandlungsmethoden und dem Fehlen von Standardtests zu ihrer Wirksamkeit. Als Noon und Freeman 1911 erstmals die prophylaktische Impfung gegen Heuschnupfen einführten, wandten sie eine Methode an, die Freeman später „allmähliche Desensibilisierung“ nannte: Das bedeutet Injektionen über einen Zeitraum von einigen Wochen und Monaten vor der Pollensaison. Ein paar Jahre später entwickelte Freeman eine Methode der „intensiven Desensibilisierung“: tägliche Injektionen mit allmählich gesteigerten Dosierungen, insbesondere für Patienten mit Überempfindlichkeiten gegen Tiere. Freeman lieferte kein Konzept für seine Modifikation, sondern meinte einfach, er sei „zufällig darauf gekommen, diese Patienten täglich zu impfen“, da solche Patienten „es für gewöhnlich eilig“ hätten, „auf die Jagd zu gehen oder nach ihren Hunden zu sehen oder ihre Katzen aus der Quarantäne beim Tierarzt abzuholen“. Der deutliche Erfolg dieser intensiven immuntherapeutischen Sitzungen bei Tierallergien ermutigte Freeman, diese Methode auch auf Heuschnupfenpatienten auszudehnen.
Freemans Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse seiner Patienten belegt sowohl die Erfindung einer noch schnelleren Behandlungsmethode, der „Blitzdesensibilisierung“, als auch seine Unterstützung bei der Selbstimpfung, die eher den Interessen des Patienten (und wohl auch des Doktors) dienten, als dass sich hierbei Gedanken um die konzeptuelle Eleganz gemacht worden wären. Er bestand nicht darauf, „strikt bei der allmählichen, intensiven oder Blitz‘-Methode zu bleiben“, sondern sah ein, dass „eine intelligente Kombination der Neigung des Einzelnen eher entgegenkommen kann“. Kliniker, die Allergien behandelten, folgten Freemans Rat, entwickelten ihre eigenen Verfahren und bereiteten selbst Allergenextrakte zu, um ihre und die Zeit ihrer Patienten besser nutzen zu können. Freemans Flexibilität und seine ausdrückliche Bevorzugung der klinischen Anschauung gegenüber Statistiken, die den Dosierungsgrad und die Wirkung hätten bestimmen können, wird wohl den eigenen Abneigungen und den besonderen Anforderungen im St. Mary’s der Zwischenkriegsjahre entsprochen haben. Dennoch war es gerade diese Flexibilität, die der nächsten Generation von Allergologen zum Verhängnis werden sollte. Die Vielfalt der Desensibilisierungsmethoden machte einen Vergleich der Ergebnisse fast unmöglich. Als es in den Nachkriegsjahren notwendig wurde, therapeutische Wirksamkeit und Sicherheit pharmazeutischer Produkte besser nachzuweisen, wurde Allergologen, die versäumten, ihre Extrakte zu standardisieren oder zufallsgenerierte Kontrollversuche durchzuführen, immer häufiger vorgeworfen, sich auf Gerüchte anstatt auf wissenschaftliche Beweise zu verlassen. Auch wenn der erste gegenkontrollierte Versuch einer Immuntherapie unter Freemans Oberaufsicht 1954 von Frankland und Augustin durchgeführt wurde, ließ das Zögern von Allergologen, ihre Theorien und Praktiken auf diese Weise zu überprüfen, unter Befürwortern und Kritikern der De-sensibilisierung die Befürchtungen immer größer werden.
Die großen Unterschiede bei den Diagnose- und Behandlungsprogrammen unterstrichen das Fehlen einer eindeutigen Erklärung der Wirkung von Desensibilisierung und waren gleichzeitig dafür verantwortlich. Noons und Freemans Auffassung der Pathogenese von Heuschnupfen als Ergebnis eines Toxins wurde schnell fallen gelassen. Nun wurde angenommen, dass bei einer Allergie die klinischen Symptome und die Gewebeschäden von einer Reaktion der Allergene mit gewebeeigenen Antikörpern (oder Reaginen) hervorgerufen würden, die zu einer Ausschüttung entzündlicher Botenstoffe wie zum Beispiel Histamin führe. Auch wenn immer ausgefeilter Erklärungen der Pathogenese allergischer Erkrankungen dem immer größer werdenden Gebiet der Allergologie einen gewissen intellektuellen und experimentellen Rückhalt gaben, entmutigte deren Inkompatibilität mit der Toxin-Hypothese Allergologen, die versuchten, den immunologischen Vorgang bei der Desensibilisierung zu verstehen. Einer der frühesten und langlebigsten alternativen Erklärungsansätze wurde 1935 von Robert Cooke und seinen Kollegen in New York aufgestellt, die der Meinung waren, dass die Injektion von Allergenen die Produktion „einer besonderen blockierenden oder unterbindenden Art von Immunantikörper“ hervorrufen würde, „der die Einwirkung des Allergens auf den anfällig machenden Antikörper“ verhindere.
Der Hypothese wurde in der Folgezeit von vielen Allergologen nachgegangen; sie blieb jedoch umstritten. Insbesondere der Nachweis einer nicht stattfindenden Wechselwirkung zwischen den „blockierenden Antikörpern“ (die später als IgG identifiziert wurden) sowie die klinischen Verbesserungen brachten Allergologen dazu, eine ganze Reihe von alternativen oder ergänzenden Mechanismen für die Desensibilisierung anzunehmen.
Verfechter der prophylaktischen Desensibilisierung machten sich ebenfalls Sorgen über deren Sicherheit, besonders für Asthmatiker. 1915 warnte Robert Cooke, die „sorglose Anwendung“ der Desensibilisierung bei Heuschnupfenpatienten „könnte womöglich zum Tod durch einen anaphylaktischen Schock führen“. Cookes Warnung wurde in den nächsten Jahrzehnten regelmäßig in der britischen Fach-presse wiederholt und immer öfter von Fallbeispielen schwerer Überreaktionen und Todesfälle bei der Behandlung begleitet, sowie von Vorschlägen zur Vermeidung tödlicher Unfälle, zum Beispiel dadurch, dass man der Spritze Adrenalin hinzufügte.
David Harley warnte beispielsweise 1933 davor, dass die Desensibilisierung heikel sei und dass es zu ernsten Vorkommnissen und Todesfällen gekommen wäre. Im folgenden Jahr unterstrich ein Leitartikel in der Lancet, Asthmatiker würden während der Desensibilisierung zu potenziell tödlichen Asthmaanfällen neigen.
1942 beschrieb D. N. Nabarro auf einer Tagung der Association of Clinical Pathologists (Vereinigung klinischer Pathologen) eine „alarmierende und beinahe tödliche Anaphylaxie“, nachdem einem Asthmapatienten subkutan verschiedene Antigene injiziert worden waren. Diese Reaktion konnte nur mit einer mehrfachen Dosis Adrenalin und mit Sauerstoff kuriert werden. Und 1954 führte der Tod eines Patienten, der im Guy’s Hospital mit einer Desensibilisierung gegen Asthma behandelt wurde, nicht nur zu einem Rückruf der Pollaccine-Bestände von Parke, Davis & Company, sondern auch zu einer inoffiziellen amtlichen Untersuchung und zu einer Parlamentsdebatte.
Sorgen um die Sicherheit der Immuntherapie gingen Hand in Hand mit den Befürchtungen um die berufliche Befähigung. Freeman hatte 1914 vor den Problemen gewarnt, die unerfahrene praktische Ärzte bei der Fortführung einer in seiner Klinik begonnenen Behandlung verursachen könnten. Einige Jahre darauf sprach David Harley in aller Deutlichkeit von der Fähigkeit „erfahrener Allergologen“, in bestimmten Fällen „glänzende Heilerfolge“ zu erzielen. Indem sie zwischen sich und weniger erfahrenen Ärzten eine Trennlinie zogen, versuchten Freeman und Harley eine Vormachtstellung bei der Diagnose und Behandlung von Patienten mit allergischen Leiden zu erlangen, und sich selber von den hartnäckigen, wenn auch gelegentlich selbstironischen Beschreibungen von Allergologen als Folterknechten zu distanzieren.
Zusätzlich zur Betonung ihres eigenen Status’ als Spezialisten haben sie jedoch vielleicht auch ihre wirtschaftlichen Interessen im Auge gehabt. Die Behandlung von allergischen Leiden wurde ein immer profitableres Geschäft, sowohl für die Pharmaunternehmen, die Diagnoseausrüstungen und Impfstoffe (und später eine Unmenge von antiallergischen Medikamenten) anboten, als auch für Kliniker wie Freeman, die viele lukrative Privatbehandlungen durchführten. Das Ausmaß, in dem die prophylaktische Behandlung von Allergien und anderer Krankheiten von finanziellen Erwägungen beeinflusst wurde, blieb nicht verborgen. In seinem 1933 veröffentlichten Buch The Golden Calf kritisierte Charles W. Lorward, ein glühender Befürworter des Vegetarismus, dass „in diesem Zeitalter der Kommerzialisierung und Bürokratie der Arzt in eine Schieflage geraten und zu so etwas wie einem ,Handlanger“ der Pharmaindustrie und der sogenannten ,Institute“ geworden ist, die mit dem Verkauf von Impfstoffen und ähnlichen Produkten große Profite erwirtschaften“. Fünf Jahre später verarbeitete der schottische Arzt und Romancier A. J. Cronin (1 896-1981) Forwards Vorbehalte in seiner Beschreibung von Andrew Manson, dem Protagonisten von The Citadel, der bereit ist, einer reichen Patientin Pollenimpfungen in Rechnung zu stellen, obwohl er annimmt, das Heilmittel sei nutzlos und verdanke „seine Popularität einzig der raffinierten Werbung der Firma, die es herstellt, und dem Mangel an Pollen in den meisten englischen Sommern“.
Auch wenn die Beschäftigung mit einer neuartigen Behandlungsmethode neue Herausforderungen für das im Entstehen begriffene Spezialgebiet der klinischen Allergologie bot, wurde es ebenso von den altbekannten terminologischen und teleologischen Auseinandersetzungen geprägt. Freeman gab als Erster zu, dass die Definition des Begriffes „Allergie“ nach wie vor problematisch wäre. Im Vorwort zu seiner Monografie beklagte er, „das Wort “Allergie“ ist in linguistischer Hinsicht völliger Unsinn“, sodass es „in der Medizin mehr verunklart als erhellt“. In Übereinstimmung mit anderen Autoren, die der Ansicht waren, dass „das Netz der Allergie“ zu weitmaschig wäre, bevorzugte Freeman das Wort „toxische Idiopathie“ zur Beschreibung von Leiden wie Heuschnupfen, Asthma, Nahrungsmittelüberempfindlichkeiten, Ekzemen und Urtikaria, da dieser Begriff wenigstens „nur das bedeuten kann, was ich will, dass er bedeutet“. Freeman erkannte je-doch, dass der „einem König Canute ähnliche“ Widerstand gegen die Meinung von Ärzteschaft und Öffentlichkeit vergeblich war und dass Allergie bereits als ein wohlklingender, wenn auch vieldeutiger medizinischer Begriff allgemein anerkannt war.
Wie der amerikanische Pathologe Arnold Rice Rieh in seiner 1944 erstmals veröffentlichten, umfassenden Untersuchung der Pathogenese von Tuberkulose hervorgehoben hatte, war die exakte Definition von Allergie nicht nur eine rein semantische Angelegenheit. Im Gegenteil, sie habe schwerwiegende Folgen für das medizinische Verständnis der Ätiologie und Pathologie des Leidens und – allgemeiner – für die Rolle immunologischer Untersuchungen in klinischen Krankenberichten. Ein weiterhin ungelöstes Rätsel für die Immunologen und Allergologen des frühen 20. Jahrhunderts war die Frage, die Pirquet mit seiner Allergie- Definition von 1906 zu beantworten versucht hatte, nämlich worin genau der Zusammenhang von Immunität und Überempfindlichkeit und, als Folge davon, die entwicklungsgeschichtliche Rolle von Überempfindlichkeitsreaktionen beim Schutz vor Infektionskrankheiten wie Tuberkulose bestand.
Rieh schloss sich nicht der vorherrschenden Meinung an, die Überempfindlichkeit sei ein zentraler Abwehrmechanismus, stattdessen behauptete er, Immunität und Überempfindlichkeit könnten als unzusammenhängend angesehen werden und eine „grundlegende Parallelität zwischen diesen beiden Zuständen“ bestünde nicht. Später deutete er jedoch an, die große Verwirrung bei diesem Thema wäre das Ergebnis „des uneindeutigen Gebrauchs der Begriffe „Allergie und ,Immunität“. So beklagte er insbesondere, dass das Wort „Allergie“ „durch den unkritischen Gebrauch so verdorben wurde, dass es wirklich von Vorteil wäre, wenn es vollkommen aus dem wissenschaftlichen Vokabular gestrichen werden könnte“. Die Appelle Freemans und anderer, das Wort .Allergie* aufzugeben, stießen ebenso wie die von Rieh auf taube Ohren. In den 1940er- und 50er-Jahren waren die Begriffe .Allergie* und .Allergologe* in westlichen Medizinerhirnen tief verankert, tauchten regelmäßig in den Titeln von Zeitschriften und Büchern auf, und Institutionen, Gesellschaften und Krankenhäuser führten sie offiziell in ihren Namen. Die allgemeine Akzeptanz des Begriffes ,Allergie* trug zusammen mit der Übernahme der Allergendesensibilisierung als Hauptbehandlungsmethode zur Definierung eines neuen klinischen Spezialgebietes bei.