Start Hirnkrebs Antidepressivum Vortioxetin zeigt vielversprechende Ergebnisse bei Behandlung von Hirntumor

Antidepressivum Vortioxetin zeigt vielversprechende Ergebnisse bei Behandlung von Hirntumor

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Schweizer Forscher testen Antidepressivum zur Behandlung von aggressivem Hirntumor
Forscher in der Schweiz planen klinische Studien am Menschen, um vielversprechende frühe Ergebnisse zu testen. Ein günstiges Antidepressivum könnte möglicherweise einen besonders aggressiven und derzeit unheilbaren Hirntumor behandeln, wie Schweizer Wissenschaftler in frühen Laboruntersuchungen herausfanden. Glioblastom, ein schnell wachsender Hirntumor, der die meisten Patienten innerhalb von 12 bis 18 Monaten tötet, gehört zu den schwierigsten Krebserkrankungen, die es zu behandeln gilt. Die Ergebnisse der neuen Forschung bieten potenziell einen neuen Ansatz zur Behandlung dieser verheerenden Krankheit.

Herausforderungen bei der Behandlung von Hirnkrebs
Hirnkrebs ist generell schwer zu behandeln, da die Blut-Hirn-Schranke – eine Zellschicht, die als Filter zwischen dem zentralen Nervensystem und dem Rest des Körpers fungiert – es schwierig macht, dass Medikamente die Tumoren effektiv erreichen. Diese Barriere schirmt das Gehirn vor vielen schädlichen Substanzen ab, erschwert jedoch auch den Transport von Medikamenten, die Krebszellen bekämpfen könnten. Die begrenzten Behandlungsmöglichkeiten für Glioblastome umfassen derzeit Operationen, Strahlentherapie und Chemotherapie, die jedoch oft nur begrenzte Erfolge erzielen.

Test von 132 Medikamenten am Universitätsklinikum Zürich
In der neuen Studie testeten Forscher des Universitätsspitals Zürich (USZ) 132 Medikamente an Krebsgewebe von Glioblastom-Patienten, die sich kürzlich einer Operation unterzogen hatten. Diese Tests wurden durch Computermodelle und Studien an Labormäusen ergänzt, um die Wirksamkeit der Medikamente umfassend zu bewerten. Der Fokus lag auf Medikamenten, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, darunter Antidepressiva, Parkinson-Medikamente und Antipsychotika. Diese Medikamentengruppen bieten durch ihre Fähigkeit, ins Gehirn zu gelangen, neue Chancen in der Krebstherapie.

Vortioxetin als vielversprechender Kandidat
Von den getesteten Medikamenten schnitt das Antidepressivum Vortioxetin am besten ab und zeigte „außergewöhnlich konsistente“ Ergebnisse, wie in der Fachzeitschrift Nature Medicine berichtet wurde. Vortioxetin, das zur Behandlung von Depressionen entwickelt wurde, erwies sich in den Tests an Krebszellen bei 66,7 Prozent der Patienten als wirksam im Kampf gegen die Tumoren. „Der Vorteil von Vortioxetin ist, dass es sicher und sehr kosteneffektiv ist“, erklärte Dr. Michael Weller, Mitautor der Studie und Leiter der Neurologieabteilung am USZ, in einer Stellungnahme. Die Sicherheit und die geringen Kosten des Medikaments könnten es zu einer attraktiven Ergänzung der bestehenden Behandlungsmöglichkeiten machen.

Vorbereitung klinischer Studien am Menschen
Die Forscher bereiten sich nun auf klinische Studien vor, um zu prüfen, wie gut das Medikament bei Menschen wirkt. In einer der geplanten Studien erhalten die Patienten Vortioxetin zusätzlich zur Standardbehandlung, die aus Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie besteht. In einer weiteren Studie wird ein personalisierter Behandlungsansatz getestet, um herauszufinden, welche Patienten am meisten von der neuen Therapie profitieren könnten. Diese klinischen Studien sind entscheidend, um die Laborergebnisse zu bestätigen und den Weg für eine breitere Anwendung zu ebnen.

Antidepressiva im Kampf gegen Hirntumoren
In der Europäischen Union wird Vortioxetin unter dem Markennamen Brintellix vom dänischen Arzneimittelhersteller Lundbeck verkauft und ist zur Behandlung schwerer Depressionen in der EU, der Schweiz, Großbritannien und den USA zugelassen. „Das bedeutet, dass das Medikament bei erfolgreichen klinischen Studien keine komplexen Zulassungsverfahren durchlaufen müsste und bald die Standardtherapie für diesen tödlichen Hirntumor ergänzen könnte“, so Weller. Diese Möglichkeit verkürzt den Zeitrahmen erheblich, in dem das Medikament für Patienten verfügbar gemacht werden könnte, was angesichts der aggressiven Natur des Glioblastoms von entscheidender Bedeutung ist.

Weitere Antidepressiva zeigen Potenzial
Die Studie des USZ ist die jüngste, die darauf hindeutet, dass Antidepressiva eine Rolle bei der Behandlung von Hirntumoren spielen könnten. Bereits 2021 zeigten Mäusestudien in den USA, dass Fluoxetin, besser bekannt als Prozac, Glioblastome bekämpfen könnte. Fluoxetin sowie die Medikamente Paroxetin und Brexpiprazol zeigten in der USZ-Studie ebenfalls vielversprechende Ergebnisse, obwohl Vortioxetin als der beste Kandidat hervorging. Diese Ergebnisse legen nahe, dass es einen unerwarteten Zusammenhang zwischen den Eigenschaften bestimmter Antidepressiva und ihrer Fähigkeit, Krebszellen zu bekämpfen, geben könnte.

Offene Fragen und laufende Debatten
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse aus frühen Studien bleibt abzuwarten, ob Antidepressiva die Behandlungsergebnisse für Hirntumorpatienten nachhaltig verbessern können. Eine schwedische Analyse, die Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde, zeigte, dass Patienten mit hochgradigen Hirntumoren wie Glioblastomen schlechtere Überlebensraten hatten, wenn sie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) einnahmen, zu denen auch Fluoxetin und Vortioxetin gehören. Diese widersprüchlichen Ergebnisse zeigen, dass noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, um die Rolle von Antidepressiva in der Onkologie vollständig zu verstehen.

Zukünftige Perspektiven in der Glioblastom-Behandlung
Die jüngsten Forschungsergebnisse bieten Hoffnung auf neue Behandlungsmöglichkeiten für eine der aggressivsten Formen von Hirnkrebs. Klinische Studien am Menschen werden jedoch entscheidend sein, um die Wirksamkeit dieser Therapieoption zu bestätigen. Sollten die Studien erfolgreich sein, könnte dies einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Glioblastomen bedeuten, indem ein bereits zugelassenes und gut verträgliches Medikament zur Standardtherapie hinzugefügt wird. Dies könnte nicht nur die Lebensqualität der Patienten verbessern, sondern auch die Überlebenschancen bei einer Erkrankung erhöhen, die derzeit kaum heilbar ist

Informationsquelle: who . int