Allergien von Bienen und Wespen
Die meisten Insektenstiche sind nur lästig. Sie verursachen Hautreaktionen, die rasch wieder abklingen. Doch zirka 2 bis 4 Prozent der Bevölkerung reagieren allergisch auf das Gift der Insekten – in unseren Breitengraden besonders auf das Gift von (Honig)Bienen und (Falten)Wespen, seltener dagegen auf das von Hummeln, Hornissen, Ameisen, Mücken oder Bremsen. Die Sensibilisierung (Empfindlichkeit) lässt sich oft durch spezifische IgE-Antikörper im Blut nachweisen. Es kann aber auch zu allergischen Reaktionen kommen, die nicht IgE-vermittelt sind. Ob Menschen, die eine erblich bedingte Neigung zu Allergien haben, ein höheres Krankheitsrisiko tragen als andere, ist umstritten.
Allergien gegen Insektengift können auf die Stichstelle begrenzt sein (örtliche Reaktion) und sich zum Beispiel in Rötungen, Schwellungen oder Juckreiz äußern oder aber den ganzen Organismus erfassen (systemische Reaktion) und schlimmstenfalls einen anaphylaktischen Schock auslösen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sterben in Deutschland jährlich zwischen 10 und 20 Menschen infolge schwerer Allgemeinreaktionen, die nach Insektenstichen auf-treten. Die Dunkelziffer dürfte jedoch wesentlich höher sein, denn so manche plötzlichen Todesfälle, die sich im Freien ereignen und deren Ursache unklar ist, gehen möglicherweise auf das Konto von Insekten.
Bienen-, Wespen- und Hornissengift Allergie
Am besten untersucht sind die Gifte von Bienen und Wespen, die jeweils mehrere Allergene enthalten. Diese bestehen aus verschiedenen Eiweißverbindungen, vor allem aus Enzymen, die entzündungsfördernde Stoffe wie das Histamin aus den Mastzellen freisetzen. Da sich die Gifte von Bienen und Hummeln sowie die von Wespen und Hornissen ähneln und auch Kreuzreaktionen zwischen Bienen- und Wespengift bestehen können, müssen Sie vorsichtig sein, wenn Sie schon einmal überempfindlich auf einen Insektenstich reagiert haben.
Mit Bienenflug müssen Sie von Frühjahr bis Herbst und an milden Wintertagen rechnen, mit Wespen den ganzen Sommer über bis zum Herbst. Während sich Bienen vor allem in der Nähe von Bienenstöcken und Blüten aufhalten und ihren Stachel nach Insektengiftallergiker, die in bestimmten Berufen tätig sind, sind besonders gefährdet. Dazu zählen vor allem Landwirte, Imker, Förster, Waldarbeiter und Gärtner sowie das Verkaufspersonal von Obst- oder Gemüseständen und von Bäckereien.
Allergien auf Insektenstiche
einem Stich in der Haut zurücklassen, kreisen Wespen gern um Nahrungsmittel und Abfälle und hinterlassen ihren Stachel nur selten in der Haut ihres „Opfers“.
Symptome
Bei Lokalreaktionen kommt es an der Stichstelle meist zu Rötungen und Schwellungen, die von Juckreiz, Brennen und Schmerzen begleitet sind. Ist der Durchmesser der Schwellung größer als 10 Zentimeter, handelt es sich um eine gesteigerte örtliche Reaktion, die oft länger als 24 Stunden anhält.
Bedrohlicher sind Allgemeinreaktionen, die meist innerhalb weniger Minuten nach dem Stich entstehen und nicht auf die Einstichstelle begrenzt sind, sondern sich am ganzen Körper entwickeln. Dabei gibt es unterschiedliche Schweregrade. Juckreiz und Nesselsucht gehören zur schwächsten Form. Stärkere Reaktionen äußern sich in Erbrechen, Durchfall, Bronchialkrämpfen, Atemnot und Blutdruckabfall. Am gefährlichsten sind Bewusstlosigkeit, Stuhl- oder Urinabgang und ein Herz-/ Kreislaufstillstand, der zum Tod führen kann. Bei schwangeren Frauen können solche anaphylaktischen Stichreaktionen das ungeborene Kind schädigen.
Wenn Kinder betroffen sind
Bekommen Kinder plötzlich starken Juckreiz, einen Hautausschlag und/oder schwillt ihr Gesicht an, kann das eine allergische Reaktion auf einen Insektenstich sein. Atemnot und lebensgefährliches Herz-Kreis- lauf-Versagen kann bei Kindern ebenfalls Vorkommen.
Wenn Ihr Kind eine Insektengiftallergie hat, sollte es während der Bienen- und Wespensaison immer ein Notfallset mit einer schriftlichen Dosierungsanweisung bei sich tragen. Informieren Sie unbedingt Erzieher, Lehrer und andere Betreuungspersonen über die Krankheit und erklären Sie ihnen, was sie im Notfall tun müssen.
Unter bestimmten Voraussetzungen ist das Risiko für eine schwere Allgemeinreaktion nach einem Insektenstich erhöht. Das gilt insbesondere, wenn Allergiker
• älter als 40 Jahre sind,
• schon einmal eine schwere Allgemeinreaktion infolge eines Insektenstichs hatten (zum Beispiel Erbrechen, Durchfall, Bronchialkrämpfe, Atemnot, Herz-/Kreislaufstillstand),
• an Asthma oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden,
• körperlich und/oder psychisch sehr belastet sind,
• Medikamente wie zum Beispiel Betarezeptorenblocker (auch Augentropfen), ACE-Hemmer oder bestimmte entzündungs-hemmende Mittel (etwa gegen Rheuma) einnehmen oder
• häufig viel Alkohol trinken.
Sofort zum Arzt
Sobald Allgemeinreaktionen wie Hautrötungen am ganzen Körper, Erbrechen, Durchfall, Bronchialkrämpfe oder Atemnot auftreten, muss sofort ein Notarzt gerufen werden, da diese Symptome lebensbedrohlich sein können.
Diagnose
Nach jeder Stichreaktion, die entweder ungewöhnlich heftig ist oder mehrere Stunden anhält, sollten Sie einen Hautarzt aufsuchen, der auf die Behandlung von Allergien spezialisiert ist. Mit einer ausführlichen Erhebung der Krankengeschichte sowie standardisierten Haut- und Bluttests wird der Arzt versuchen, das ursächliche Insektengift ausfindig zu machen. Für Stiche, die nicht von Bienen oder Wespen stammen, sind die diagnostischen Möglichkeiten allerdings begrenzt, da es dafür bislang noch keine ausreichenden Testmethoden gibt. Eine Hilfestellung bildet jedoch die relativ enge Verwandtschaft zwischen Bienen- und Hummelgift sowie die zwischen Wespen- und Hornissengift.
Bei einer einmaligen Untersuchung sollten Haut- und Bluttests frühestens zwei Wochen nach dem letzten Insektenstich durchgeführt werden. Aussagekräftiger sind zwei Untersuchungen, von denen die erste unmittelbar nach dem Stich und die zweite etwa zwei bis drei Wochen später erfolgt. Während dieser Zeit steigt die Konzentration der Antikörper auf das jeweilige Gift im Blut an. Dies liefert wichtige Hinweise auf das verursachende Insekt. Patienten, die ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Reaktionen auf Insektenstiche tragen, müssen die Hauttests sicherheitshalber in einer Tagesklinik durchführen lassen.
Insektengift und andere Allergene
Es besteht wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen der übermäßigen Reaktion auf Insektengift und auf andere Allergene: Ärztlichen Beobachtungen zufolge haben Patienten, die bei Hauttests allergisch auf Katzen, Hausstaubmilben und Gräser reagieren, häufig niedrigere Schwellen bei Hauttests auf Insektengift sowie eine höhere Konzentration von insektenspezifischem IgE im Blut.
Tipp
Vorbereitung auf den Arztbesuch Ihre eigenen Beobachtungen rund um den Stich können dem Arzt wichtige Hinweise liefern. Notieren Sie deshalb vor dem Praxis- j besuch die folgenden Punkte:
• Wann und wo wurden Sie gestochen?
• Konnten Sie das Insekt identifizieren?
• Blieb der Stachel in der Haut?
• In welchem Zeitraum nach dem Stich traten die ersten Symptome auf?
• Waren sie auf die Einstichstelle begrenzt (zum Beispiel Rötung, Schwellungjuckreiz, brennender Schmerz) oder traten weitere Beschwerden auf-etwa Hautrötungen am ganzen Körper, Durchfall, Erbrechen, Atemnot oder Schock?
• Hatten Sie schon einmal einen allergischen Schock nach einem Insektenstich?
• Leiden Sie unter Asthma odereiner Herz- Kreislauf-Erkrankung?
• Welche Medikamente nehmen Sie derzeit ein?
Behandlung
Am wichtigsten ist es, Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Wenn Sie bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beachten, können Sie das Risiko von Insektenstichen erheblich reduzieren.
Selbstbehandlung im Notfall
Für die Behandlung schwerer Schockreaktionen infolge von In-sektengiften (sowie Nahrungs- und Arzneimittelunverträglichkeiten) gibt es wirksame Notfallpräparate, die in Deutschland bislang viel zu selten verordnet – und noch seltener von den Betroffenen selbst angewendet werden. Dadurch kommt es zu zahlreichen Todesfällen, die vermeidbar gewesen wären.
So schützen Sie sich vor Insekten
• Tragen Sie keine wehende, weite und farbig gemusterte Kleidung, denn zahlreiche Insekten „fliegen“ auf bunte Farben.
• Steigen Sie nie ohne geschlossenen Helm auf einen fahrbaren Untersatz.
• Machen Sie einen Bogen um Abfallkörbe und Müllkübel im Freien. Sorgen Sie dafür, dass der Abfalleimer im und am Haus immer gut verschlossen ist.
• Fliegengaze vor Fenstern versperrt nicht nur Fliegen und Mücken, sondern auch Bienen und anderen Insekten den Weg in die Wohnung.
• Bei allen Freizeitaktivitäten ist Vorsicht angesagt: bei Arbeiten im Garten, beim Schwimmen, (Sonnen)Baden und allen Sportarten im Freien.
• Laufen Sie im Garten und in freier Natur nicht barfuß: Insekten schwirren nicht nur durch die Luft, sondern sitzen oft im Gras und am Boden.
• Seien Sie besonders vorsichtig beim Pflücken von Obst oder Blumen. Beide sind ein Paradies für Bienen und Wespen.
• So schade es auch ist: Auf Essen im Garten und auf der Terrasse von Cafes und Restaurants sollten Sie besser verzichten. Verzehren Sie zumindest im Freien keine
süßen Speisen, kein Bier und keine Süßgetränke.
• Trinken Sie nie direkt aus einer Flasche oder einer Dose, sondern benutzen Sie sicherheitshalber einen Strohhalm, denn eine Wespe kann unbemerkt in den Behälter gekrochen sein.
• Verzichten Sie im Freien auf Parfüms und stark parfümierte Kosmetika wie Haut- und Sonnenschutzcremes, Körperlotionen oder Haarshampoos.
• Hat sich ein Bienen-oder Wespenschwarm in Ihrer Umgebung niedergelassen, sollten Sie einen Imker oder die Feuerwehr rufen, die die Nester entfernen.
• Wenn Sie von Bienen oder Wespen belästigt werden, dürfen Sie keine hastigen, schlagenden Bewegungen machen. Gehen Sie langsam aus dem Gefahrenbereich oder schütteln Sie Insekten, die sich zum Beispiel auf Kleidungsstücken, Tischdecke oder Sitzkissen niedergelassen haben, vorsichtig ab.
• Bei Reisen in andere Länder sollten Sie sich ebenfalls vorsehen. In vielen Ländern gibt es Insekten, deren Gift dem der heimischen Bienen und Wespen ähnelt, sodass es zu Kreuzreaktionen kommen kann. Nehmen Sie sicherheitshalber immer Ihr Notfallset mit.
Hatten Sie in der Vergangenheit nach einem Insektenstich bereits eine Allgemeinreaktion, müssen Sie ein ärztlich verordnetes Notfallset immer bei sich tragen. Dieses besteht aus einem schnell wirkenden Antihistaminikum, einem trinkbaren Glukokortikoid sowie Adrenalin als Pumpspray zur Inhalation, gegebenenfalls auch zur Selbstinjektion. Die Mittel gibt es für Erwachsene, in niedriger Dosierung auch für Kinder.
Zerkauen Sie unmittelbar nach einem Insektenstich zwei Tabletten des Antihistaminikums und trinken Sie das Kortisonpräparat. Es ist sehr wichtig, dass Sie das Fläschchen ganz austrinken. Sobald es zu Atemnot oder einer Zungenschwellung kommt, nehmen Sie zwei bis drei und bei Kreislaufbeschwerden 15 bis 20 Sprühstöße Adrenalin ein. Dabei müssen Sie langsam und tief inhalieren. Trotz dieser Erstmaßnahmen muss sofort ein Notarzt gerufen werden.
Spezifische Immuntherapie (SIT)
Die spezifische Immuntherapie oder Hyposensibilisierung ist das Mittel der ersten Wahl zur vorbeugenden Behandlung von Insektengiftallergien. Das gilt allerdings nur für Patienten, die nach einem Insektenstich bereits eine schwere Allgemeinreaktion wie Atemnot, Blutdruckabfall oder Schock hatten oder ein erhöhtes Risiko für solche Reaktionen tragen. Sie sollten sich unbedingt einer SIT unterziehen.
Für wen kommt eine SIT infrage?
• Bei älteren Menschen kann eine SIT besonders wichtig sein, weil bestimmte Krankheiten (zum Beispiel Herz-Kreislauf- Erkrankungen),die mit steigendem Lebensalter zu nehmen, selbst ein Risiko für schwere Allgemeinreaktionen nach Insektenstichen sind.
• Bei Kindern, die nach einem Stich nur Hautreaktionen entwickeln, ist keine Hyposensibilisierung erforderlich, da bei erneuten Stichen keine schweren Allgemein-reaktionen zu erwarten sind.
• Auch Erwachsene, bei denen nur gesteigerte örtliche Reaktionen wie starke Schwellungen, Juckreiz und brennender Schmerz an der Stichstelle auftreten, brauchen sich keiner SIT zu unterziehen.
• Patienten, die nicht auf die Einnahme von Betablockern oder ACE-Hemmern verzichten dürfen und dennoch eine Hyposensibilisierung benötigen, müssen während der Impfung apparativ überwacht werden.
• Schwangere Frauen dürfen sich keiner Hyposensibilisierung unterziehen.
Vorsicht bei Betablockern und ACE-Hemmern
Wenn Sie schon einmal nach einem Insektenstich schwere Allgemeinreaktionen wie Hautrötungen am ganzen Körper, Durchfall, Erbrechen, Bronchialkrämpfe, Atemnot, Blutdruckabfall oder einen Herz-/Kreis- laufstillstand hatten, dürfen Sie grundsätzlich keine Betarezeptorenblocker oder ACE-Hemmer einnehmen. Während einer Therapie mit diesen Mitteln kann es zu besonders bedrohlichen Reaktionen kommen, die nur schlecht auf eine Behandlung ansprechen. Sollte die Einnahme von Betarezeptorenblockern oder ACE-Hemmern unbedingt erforderlich sein, brauchen Sie eine intensive internistische und allergologische Betreuung.
Ein Notfallset ist unverzichtbar!
Auch wenn Sie erfolgreich eine Hyposensibilisierung abgeschlossen haben und keine IgE-Antikörper gegen Insektengift mehr im Blut nachweisbar sind, müssen Sie Ihr Notfallset sicherheitshalber immer bei sich tragen. Sie brauchen es aber erst dann anzuwenden, wenn es nach einem Insektenstich – wider Erwarten – doch zu Allgemeinreaktionen kommen sollte. Die Impfung führt bei erneuten Stichen in fast 100 Prozent aller Fälle zu einem wirksamen Schutz vor allergischen Symptomen. Die monatliche Erhaltungstherapie dauert in der Regel drei Jahre und kann mehrfach wiederholt werden. Bei Patienten mit einem hohen Risiko für einen allergischen Schock kann eine lebenslange Therapie erforderlich sein.