Start Geschichte der Allergien Unbefriedigte Bedürfnisse – Naturmittel gegen Allergien

Unbefriedigte Bedürfnisse – Naturmittel gegen Allergien

2056

Unbefriedigte Bedürfnisse
Zur gleichen Zeit wuchsen die Ängste von Öffentlichkeit, Ärzteschaft und Politik angesichts der sozialwirtschaftlichen Belastung durch allergische Krankheiten und vor deren Auswirkungen auf die Lebensqualität und -dauer jedes Einzelnen. Das galt insbesondere für Großbritannien, wo die Erkrankungs- und Sterblichkeitsrate hoch wie nirgends sonst auf der Welt zu sein schien. Zu Beginn des neuen Jahrtausends fing ein Bericht von Asthma UK überzeugend die Ängste vor allergischen Krankheiten ein. Diese Wohltätigkeitsorganisation, die erstmals in den 1920er-Jahren als Asthma Research Council in Erscheinung getreten war, bevor sie zur National Asthma Campaign wurde, widmete sich „der Verbesserung von Gesundheit und Wohlergehen jener 5,1 Million Menschen mit Asthma in Großbritannien“. Sie unterstützte die Forschung und sorgte für besser vernetzte Beratungsangebote für Patienten und ihre Familien. Indem der Bericht Living on a Knife Edge Ergebnisse früherer Untersuchungen der 1990er-Jahre zu Erfahrungen von Asthmapatienten untermauerte, konnte er eindrucksvoll Existenz und Ausmaß persönlicher Traumata von Menschen mit Asthma belegen. Da sich die Studie speziell auf Patienten mit schwerem Asthma konzentrierte, konnte sie enthüllen, dass „einer von sechs Menschen über wöchentliche Anfälle berichtet, die so heftig sind, dass er nicht sprechen kann, einer von fünf sagt, er befürchte ernsthaft, der nächste Asthmaanfall könne ihn umbringen, und kaum einer glaubt, dass die Zukunft eine Aussicht auf Besserung bringen wird“.

Die von Asthma UK an Gesundheitsdienste und Regierungen gerichteten Forderungen, den Problemen bei Asthma größere Aufmerksamkeit zu schenken und Hilfe für diejenigen einzuplanen, „deren Asthma nicht auf die gegenwärtigen Behandlungsmethoden anspricht“, wurden von der Erkenntnis gestützt, dass Asthma regelmäßig unkorrekt diagnostiziert würde, dass die Öffentlichkeit ahnungslos über die Schwere von Asthmaanfällen sei und dass Erziehungsmaßnahmen dazu geführt hätten, den eigenen Umgang mit der Krankheit zu verbessern und die Asthmaerkrankungsrate zu senken. Auch löste die Debatte über allergische Erkrankungen generell die Befürchtung aus, Asthma könnte mehr und mehr an Einfluss gewinnen. Das führte in Öffentlichkeit und Medien zur Forderung nach besseren Angeboten für Allergiekranke und ihre Familien. So betonte 2003 eine Studie des Royal College of Physicians in London, die „tiefe Angst“ vor Allergien wäre oft Ergebnis eines „Informationsmangels“. Sie unterstrich auch, dass auf Hilfsgesuche von Patienten für gewöhnlich nicht – in der Allergologie nur begrenzt ausgebildete – Ärzte reagieren würden, sondern die verschiedenen unabhängigen Wohltätigkeitseinrichtungen, die sich dem Gebiet der allergischen Krankheiten verschrieben hätten.

Im gesamten 20. Jahrhundert spielten wohltätige Stiftungen eine wesentliche Rolle bei der Förderung von Allergieforschung und Fortbildung von Patienten und Ärzten. In Großbritannien war der Asthma Research Council seit den 1920er-Jahren von großer Bedeutung für die Entwicklung dieses Spezialgebietes, für Finanzierung von Forschungsprojekten, Errichtung von Kliniken und Lenkung der Aufmerksamkeit auf Patientenbedürfnisse. In Nordamerika wurde die Asthma and Allergy Foundation of America (Asthma- und Allergie-Stiftung Amerikas) – in den 1950er-Jahren als eine freie, gemeinnützige Organisationgegründet – in Bildung und Öffentlichkeitsarbeit ähnlich aktiv. Sie wandte sich hauptsächlich an Allergiekranke und ihre Familien, unterhielt aber auch, wie der Asthma Research Council, durch ihren medizinwissenschaftlichen Ausschuss gute Beziehungen zu Allergologen. In unmittelbarer Nachkriegszeit wurden vergleichbare Gesellschaften auch in Australien, Neuseeland und vielen europäischen Ländern gegründet.

In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vergrößerte sich der Aktionsradius dieser wohltätigen Stiftungen. In Großbritannien gründete die National Asthma Campaign Hilfsgesellschaften für Patienten, Familien und Freunde, gab eine Zeitung heraus, startete eine Telefonhilfe und eine Website, billigte eine Reihe von Erziehungsmaterialien speziell für Kinder mit Asthma, entwarf eine Asthma-Charta, die „die Grundrechte aller Menschen mit Asthma“ festlegte und schloss sich mit der British Thoracic Society (Britische Thoraxgesellschaft) und der British Lung Foundation (Britische Lungenstiftung) zur Lung and Asthma Information Agency (Lungen- und Asthma-Informationsagentur) zusammen, die regelmäßig Informationsbroschüren zu Atemwegserkrankungen herausgab. Sich wiederholende Erfahrungen mit den Grenzen staatlicher Medizinversorgung motivierte die National Asthma Campaign in den 1980er- und 90er-Jahren, Verstärkung durch andere Wohltätigkeitsorganisation, die sich der Verbesserung der Allergiedienste widmeten und Informationen unter Patienten verbreiteten, zu suchen.

Neue Organisationen waren u. a. die 1980 entstandene National Society for Research into Allergy (Nationale Gesellschaft zur Allergieforschung), die 1991 gegründete British Allergy Foundation (Britische Allergiestiftung) (später Allergy UK) und die 1994 ins Leben gerufene Anaphylaxis Campaign (Anaphylaxie-Aktion). In einigen Fällen konzentrierten sich die Gesellschaften ausschließlich auf bestimmte Allergien, beispielweise das American Food Allergy Network (Amerikanisches Nahrungsmittelallergie-Netzwerk) oder die National Eczema Society (Nationale Ekzemgesellschaft), die 1975 in Großbritannien ihre Arbeit aufnahm.

Zur Jahrtausendwende wurden diese wohltätigen Stiftungen (sowie auch einige Internetorganisationen) mit Bitten um Hilfe und Information überschwemmt. Während Allergy UK pro Jahr schätzungsweise 45 000 Anfragen erhielt und 250 000 Informationsbroschüren verschickte, hat die National Eczema Society mehr als 20 000 Anfragen jedes Jahr beantwortet. Die Anaphylaxis Campaign hatte es jährlich mit 20 000 Anfragen zu tun und verschickte 140 000 Broschüren an Patienten, Schulen, Krankenhäuser und Arztpraxen. Zusätzlich produzierten oder autorisierten sie populärwissenschaftliche Allergielehrbücher, die medizinische Hilfestellung leisten sollten. Erstaunlich jedoch, dass zu Beginn der Allergie-Epidemie die klinischen und öffentlichen Gesundheitsangebote zur Diagnose und Behandlung allergischer Krankheiten zurückgingen, während das öffentliche Interesse an Information und Unterstützung stieg, am auffallendsten in Großbritannien.

2002 hat eine vom Gesundheitsministerium durchgeführte Studie zu Angeboten speziell für Allergiker ergeben, dass zwar auf bestimmte Organe spezialisierte Ärzte, Kinderärzte und Immunologen die Aufsicht über schätzungsweise hundert Kliniken für spezielle Allergieformen hatten, es in ganz England aber nur sechs Spezialkrankenhäuser (drei in London und je eins in Cambridge, Leicester und Southampton) gab, die klinische Dienste für Allergiepatienten rund um die Uhr anboten. Nach der Erkenntnis dieses „extrem armseligen“ Grads der nationalen Versorgung von Allergiepatienten tat sich das Gesundheitsministerium mit der British Society for Allergy and Clinical Immunology zusammen, um die National Allergy Strategy Group (Nationale Allergiestrategiegruppe) zu bilden, und schlug die Einrichtung von Spezialzentren vor, die darauf gerichtet sein sollten, die Qualität der für Patienten und praktische Ärzte erhältlichen Angebote zu verbessern.

2003 enthüllte ein Bericht des Royal College of Physicians, Allergy. The Unmet Need, die prekäre Lage der klinischen Allergologie in Großbritannien noch deutlicher. Die Studie beklagte, dass vorangegangene Berichte des College wenig Einfluss auf die Weiterentwicklung klinischer Einrichtungen gehabt hätten, betonte den Abgrund, der zwischen dem Bedarf nach und der Verfügbarkeit an geeigneten ärztlichen Angeboten klaffte und wies auf diverse Hindernisse bei der Versorgung mit einer effektiveren Behandlung und Beratung hin:

Mit nur sechs vollbemannten Kliniken im UK, die sich hauptsächlich um Forschungsschwerpunkte gebildet haben, gibt es eine riesigeKnappheit an Allergiespezialisten. Allergologie kommt im Curriculum der Studenten kaum vor und der Mangel an Spezialisten bedeutet, dass nahezu keine klinische Ausbildung zu bekommen ist. Klinische Ausbildungsmöglichkeiten für Postgraduierte sind begrenzt. Das Wissen über den richtigen Umgang mit Allergien in der Praxis ist daher minimal oder nicht existent.

Dem Royal College war die Entwicklung von Spezialistenangeboten für Kinder mit Allergien und „ein allumfassender“ Ansatz, der die Allergie als eigenständiges Leiden“ auffassen würde „und nicht als eine Reihe von Krankheiten, die mit dem betroffenen Organsystem zu tun haben“, wichtig und es schlug daher Verbesserungen vor. So befürwortete der Bericht die Einrichtung nationaler Allergiezentren, die Schaffung neuer Stellen für Fachärzte und Ausbildungsprogramme für Spezialisten sowie die Entwicklung verbesserter Ausbildungsmöglichkeiten für praktische Ärzte und Sprechstundenhilfen. Zusätzlich unterstrich das College die Notwendigkeit größerer staatlicher Anerkennung und finanzieller Unterstützung bei der Betreuung von Allergiekranken in der Provinz und ermahnte Patientenhilfsgruppen, auch weiterhin die Unzulänglichkeit der Dienste aufzudecken.

Die vom Bericht des Royal College angesprochenen Themen wurden von Journalisten sofort aufgegriffen. Sie betonten nicht nur die Unfähigkeit des nationalen Gesundheitssystems beim Umgang mit der wachsenden Zahl von Allergiepatienten, sondern auch, dass die unzureichenden Angebote Leben bedrohen würden. Auch wenn die Situation in Großbritannien um das Jahr 2000 besonders krass wirkte, so ist klar, dass geringes Ansehen sowie allmähliche Streichungen von Allergieangeboten weder neu noch eine rein britische Angelegenheit war. In den späten 1970er-Jahren hatte der holländische Allergologe Reindert Voorhorst beklagt, in aller Welt „können Allergologielehrstühle nur mit größter Schwierigkeit eingerichtet werden und die Zahl der von Ärzten vor ihrer Graduierung besuchten Allergologievorlesungen kann man an den Fingern einer Hand abzählen“.

Einige Jahre später hat Stephen Wasserman (ein amerikanischer Allergologe, der vom Royal College of Physicians zurate gezogen worden war, als es seinen Bericht über die Allergieangebote in Großbritannien vorbereitete) darüber nachgedacht, welchen Herausforderungen sich Allergologen zu Beginn des . Jahrhunderts zu stellen hätten. Bei der Gelegenheit hat er die Kämpfe beschrieben, die nordamerikanische Allergologen bei ihren Bemühungen um eine berufliche Anerkennung ihres Faches ausfechten mussten. Wasserman wies insbesondere darauf hin, dass das Versäumnis der frühen Allergologen, Diagnose- und Behandlungsprotokolle zu vereinheitlichen, die überwiegend patientenferne Ausrichtung der klinischen Allergologie, ihre Konzentration auf pathologische Vorgänge statt auf organische Funktionsstörungen und die Tendenz nationaler Gesundheitsdienste, „eine möglichst reduktionistische Forschung“ zu unterstützen, gemeinsam dazu geführt hätten, „die Allergologie von der Hauptströmung der Medizin und der Pädiatrie abzukoppeln“.

Wassermans Analyse der Faktoren, die die klinische Allergologie daran hinderten, „den ihr zustehenden Platz in der amerikanischen Medizin einzunehmen“, war klug. Der Rückgang der Allergieangebote in Großbritannien und einigen anderen Ländern gegen Ende des 20. Jahrhunderts hatte seine Gründe tatsächlich in den Kämpfen klinischer Allergologen, die in den frühen und mittleren Jahrzehnten des Jahrhundert ein unabhängiges medizinisches Spezialgebiet hatten durchsetzen wollen. Die Probleme, denen sich moderne Allergologen gegenübersahen, können aber noch deutlicher auf die Zweifel und Auseinandersetzungen um ihre zentrale Behandlungsmethode, die Allergen-Immuntherapie, zurückgeführt werden. Wie ich im 3. Artikel dargelegt habe, war die prophylaktische Impfung gegen Heuschnupfen, Asthma, Insektenstiche und andere Leiden seit ihrer Einführung im St. Mary’s Hospital im frühen 20. Jahrhundert der „Stützpfeiler der Allergiepraxis“ in aller Welt.

In der Tat hatte die Immuntherapie in der Nachkriegszeit trotz der immer noch bestehenden Besorgnis über Sicherheit und Wirksamkeit dieser Prozedur fast Kultstatus unter Allergologen und ihren Patienten erlangt und war besonders bei Giftallergien zur bevorzugten Behandlungsmethode geworden. Sie wurde aber auch regelmäßig bei Heuschnupfen, Asthma und bestimmten Medikamentenallergien angewandt.

In den 1970er- und 80er-Jahren intensivierten sich jedoch die unterschwelligen Sorgen wegen der Immuntherapie. 1971 klagte Jack Pepys in einem Leitartikel in der ersten Ausgabe von Clinical Allergy, angesichts der vielen mit ihr verbundenen Schwierigkeiten nehme die Desensibilisierung „gegenwärtig einen zu großen Platz“ ein. Pepys’ Überzeugung, dass eine objektive Einschätzung der Immuntherapie noch nicht möglich wäre, wurde von sporadischen Berichten über Todesfälle britischer Patienten sowohl in der Fach- als auch in der Tagespresse noch verstärkt. 1980 zum Beispiel berichtete ein britischer praktischer Arzt über den Tod eines Patienten während einer Desensibilisierung gegen Heuschnupfen und Asthma und warnte, dass Injektionen nicht „ohne bereitgestellten Sauerstoff und einen geübten Assistenten“ vorgenommen werden sollten. Drei Wochen später reagierte Pamela Ewan in einem Brief an das British Medical Journal auf diesen Bericht und unterstellte, die Eindrücke einer Verbesserung durch die Immuntherapie würden „oft auf Hörensagen“ beruhen und die Einführung neuer Medikamente hätte die Desensibilisierung überflüssig gemacht, die „potenziell gefährlich und häufig wirkungslos“ wäre.

Ewans abschätzige Bemerkungen wurden sofort von A. W. Frankland (John Freemans Nachfolger als Direktor der Allergieabteilung von St. Mary’s) widerlegt, der darauf hinwies, dass die Risiken nur bei bestimmten Allergenprä-paraten bestünden, dass es jedoch „keinen Zweifel“ am „Nutzen der spezifischen Immuntherapie“ gäbe und es unangebracht sei, „alle Hyposensibilisierungsinjektionen als gefährlich zu verdammen“.

Die in diesem britischen Wortwechsel evidenten Spannungen wurden anderswo offener ausgetragen. 1986, zu Beginn der anhaltenden internationalen Auseinandersetzungen über sorgfältigere Untersuchungen zur Desensibilisierung und eine verbesserte Standardisierung der Extrakte, baten die Herausgeber von Clinical Allergy um Meinungen von Ärzten mit gegensätzlichen Ansichten zur Asthmadesensibilisierung. Gegen die Immuntherapie sprach sich I.W.B. Grant aus, ein Facharzt für Brustkrankheiten aus Schottland. Grant wiederholte nicht nur die bekannten Vorbehalte gegen Wirksamkeit und Sicherheit der Desensibilisierung und gegen das Versäumnis der Allergologen, die Methode in kontrollierten Versuchsreihen überprüfen zu lassen, sondern verleumdete auch viele Ärzte, indem er auf das traditionelle Stereotyp des klinischen Allergologen anspielte, wie es A. J. Cronin in The Citadel entworfen hatte. „Ältere Ärzte“, schrieb er, „werden sich noch mit Bitterkeit an die finanziell einträgliche Prozedur der Hyposensibilisierung mit ihren gefährlichen Allergenmixturen erinnern, die von skrupellosen, selbst ernannten Allergologen zu der Zeit betrieben wurde, bevor Beta,-Agonisten, Natriumcromoglykat und Kortikosteroidsprays erhältlich waren.“ Mit dem Hinweis, es wäre nur schwer zu verstehen, dass die Desensibilisierung „sich so lange der wissenschaftlichen Überprüfung hat widersetzen können“, kam Grant zu dem Schluss, „wäre die Immuntherapie in der gegenwärtig praktizierten Form erst kürzlich eingeführt worden, wäre sie vom Committee on Safety of Medicines (Amt für Arzneimittelsicherheit) nicht zugelassen worden“. Dieses Argument sollte in den folgenden Debatten oft wiederholt werden.

Verteidigt wurde die Immuntherapie von zwei dänischen Allergologen, H. Mosbech und B. Weeke, von der Allergieabteilung der Universitätsklinik in Kopenhagen. Unter Anerkennung der Notwendigkeit von „systematischeren und kontrollierten Versuchsreihen“ und sich von dem oft mit der Immuntherapie in Verbindung gebrachten „Mystizismus, Skeptizismus oder sogar stürmischen Enthusiasmus“ distanzierend, gaben Mosbech und Weeke einem genauen Überblick über die diese Methode unterstützenden Belege, bevor sie zu dem Schluss kamen, dass die Desensibilisierung tatsächlich „eine Rolle spielt bei der Behandlung bestimmter Patienten mit allergischem Asthma“. Wenig überraschend, in der im Folgenden in der Zeitschrift geführten „großen Debatte“ erhielt die positive Einschätzung der Immuntherapie von Mosbech und Weeke größere Unterstützung durch Zuschriften als Grants pauschale Verdammung der Desensibilisierung. Einige Allergologen kritisieren offen Grants Zynismus und hoben die Nachteile moderner Medikamentenbehandlungen hervor. Dennoch zeigen die Zuschriften deutlich, wie sehr Allergologen Grants Zweifel anerkennen und um ihren Ruf als Ärzte fürchten mussten. Auch wenn sich ein Beitrag generell dem von Mosbech und Weeke zum Ausdruck gebrachten Optimismus anschloss, wurde darauf bestanden, dass die Immuntherapie nicht auf „eine unkritische, homöopathische Weise von aufgeklärten Schwärmern angewandt werden darf, sondern nur nach Vorschrift anhand von bestimmten diagnostischen Kriterien und unter Aufsicht von Spezialisten, die die Behandlung gründlich überwachen“.

Im Oktober 1986 wurde diese Auseinandersetzung vom Committee on Safety of Medicines unterbrochen, das in der britischen Fachpresse vor den Gefahren der gegen allergische Krankheiten angewandten Immuntherapie warnte. Als Reaktion auf die Befürchtung vor dem Todesrisiko beim Einsatz von desensibilisierenden Vakzinen bei Asthmapatienten empfahl das Committee, dass solche Impfstoffe „nur dort zum Einsatz kommen sollten, wo sofort die Möglichkeit einer umfassenden kardiorespiratorischen Wiederbelebung besteht“, und dass „Patienten mindestens zwei Stunden lang nach der Behandlung unter Beobachtung bleiben“ sollten. Wie viele Autoren in aller Welt mit Bestürzung feststellten, beschränkten die Empfehlungen des Committee und die darauffolgenden Richtlinien den Einsatz der Allergen-Immuntherapie in Großbritannien im Wesentlichen auf praktische Ärzte. Der Einfluss dieser Vorschrift auf die Glaubwürdigkeit der klinischen Allergologie und auf die Verfügbarkeit von Allergieangeboten war sofort spürbar. Einem Bericht von A. J. Frew, dem Sekretär einer Arbeitsgruppe der British Society for Allergy and Clinical Immunology, zufolge war durch die „Nichtexistenz eines Systems von in Krankenhäusern verankerten Allergieabteilungen, die Allergen-Immuntherapie im Vereinigten Königreich über Nacht völlig abgeschafft“.

Sorgen über die Gefahren der Desensibilisierung waren in anderen Ländern weniger ausgeprägt, da Todesfälle, die den diagnostischen Hauttests oder der Behandlung mit Allergenextrakten zugeschrieben wurden, offenbar selten waren. Das lag womöglich am Einsatz anderer Allergenpräparate. 1990 zum Beispiel wiesen zwei Kliniker vom Johns Hopkins Asthma and Allergy Center (Johns-Hopkins-Zentrum für Asthma und Allergie) darauf hin, dass die Allergieabteilungen des Roosevelt Hospitals in New York zwischen 1935 und 1955 mehr als eine Million Injektionen ohne einen einzigen Todesfall durchgeführt und Untersuchungen in der Folgezeit ergeben hätten, dass es in den Vereinigten Staaten zwischen 1945 und 1985 insgesamt nur zu 46 Todesfällen gekommen wäre. Trotzdem löste die Intervention des Committee von 1986 heftige Auseinandersetzungen unter Allergologen in aller Welt aus, die den restriktiven Bannspruch des Amtes eifrig angriffen.

In einer Flut von Positionspapieren, Artikeln und Kommentaren versuchten einzelne Allergologen und Berufsverbände in Großbritannien, Nordamerika, Zentral- und Südeuropa sowie in Skandinavien den Vorurteilen gegen die Immuntherapie entgegenzutreten und die klinische Allergologie als moderne wissenschaftliche Medizinrichtung zu rehabilitieren. Sie betonten, Diagnose und Behandlung sollte nur von erfahrenen Allergologen durchgeführt werden, die zur Feststellung des „wirklichen Risiko-Nutzen-Verhältnisses“ der Immuntherapie Versuche durchführen müssten, und betonten erneut den bereits anerkannten Wert der Immuntherapie bei der Behandlung von Insektenstichallergien. Zusätzlich versuchten Allergologen, sich von manchen scheinbar ähnlichen, aber unkonventionellen Therapieformen zu distanzieren, wie der enzymverstärkten Desensibilisierung, der oralen Immuntherapie und der Bioresonanz- oder Neutralisationstherapie. Insbesondere die enzymverstärkte Desensibilisierung war in den Augen vieler Allergologen „bloß eine weitere Form der alternativen Allergiebehandlung, die auf dubiosen wissenschaftlichen Grundlagen beruht“.

Sowohl ein Memorandum eines gemeinsamen Treffens der Weltgesundheitsorganisation und der International Union of Immunological Societies (Internationale Vereinigung der immunologischen Gesellschaften) als auch die Verlautbarungen der European Academy of Allergology and Clinical Immunology brachten den allgemeinen Konsens eines globalen, die Rolle der Immuntherapie diskutierenden Netzwerks von Allergologen zum Ausdruck, dass das Committee on Safety of Medicines das Risiko-Nutzen-Verhältnis überschätzt und den Ärzten unnötige Beschränkungen auferlegt hätte, wenngleich eine Verbesserung der Standardisierung sicherlich wünschenswert wäre. Insbesondere waren die meisten Allergologen der Ansicht, dass die Forderung des Committee, Patienten zwei Stunden lang unter Beobachtung zu halten, übertrieben war, 30 Minuten würden genügen. So blieb in vielen Ländern (ganz besonders in Nordamerika und Skandinavien) die Allergen-Immuntherapie weiterhin „eine der häufigsten Behandlungsmethoden“ und in Nordamerika nahm sie „einen der vordersten Plätze bei der Behandlung von Jugendlichen“ ein.

Das war in Großbritannien deutlich anders. Obwohl britische Allergologen weiterhin den Nutzen der Immuntherapie betonten, unterminierten hartnäckige Sorgen über Sicherheit, Wirksamkeit und Standardisierung, die 1986 durch die Bedenken des Committee an die Öffentlichkeit geraten waren, den fachlichen Status der Allergologie und führten zur Streichung von staatlich finanzierten Einrichtungen zur Allergiebehandlung, wie das Royal College of Physicians 2003 feststellte. Dazu werden nicht nur die Befürchtungen wegen der Immuntherapie beigetragen haben. Zum einen war die klinische Allergologie (wie viele andere Spezialgebiete auch) bei der Organisation und Verteilung von staatlich organisierten Gesundheitsangeboten und bei den finanziellen Einschränkungen, die das nationale Gesundheitssystem in den 1980er- und 90er-Jahren durchstehen musste, Opfer von konkurrierenden Marktinteressen. Zum anderen wurde die Verhandlungsposition von klinischen Allergologen jedoch dadurch geschwächt, dass sie Widerstand gegen die Modernisierungsprozesse der Medizin leisteten.

Auch wenn John Freemans charakteristische Herangehensweise an Diagnose und Behandlung dem ganzheitlichen Ethos sowohl von Krankenhäusern als auch von Privatpraxen während der Zwischenkriegszeit sehr gut gepasst haben mag, trug seine ausdrückliche Feindseligkeit gegenüber der schönen neuen Welt klinischer Versuchsreihen, standardisierter Behandlungsprotokolle und staatlicher Regulierungen in der Nachkriegszeit zur Marginalisierung des Fachgebietes bei. Auch wenn Allergologen gelegentlich behauptet haben, die Entdeckung von IgE im Jahre 1967 habe ihr Spezialgebiet aus einem „Aschenputteldasein“ befreit und es ihm ermöglicht, „in den Rang einer Wissenschaft aufzusteigen“ so blieb für viele Autoren die klinische Allergologie doch eher ein den individualistischen und erfahrungsgestützten Ansichten alternativer Heilpraktiker nahestehendes Fachgebiet, das mit den scheinbar objektiven Ideologien und Prozeduren der modernen westlichen Medizin wenig zu tun hatte. So schrieb der Arzt Theodore Dalrymple 2003 in einem Artikel in der Times, dass „die ganze Vorstellung von Allergologie ein wenig fragwürdig bleibt, weil sie ein so ergiebiges Feld für Quacksalber ist, die sich auf Hypochonder stürzen“. Auf ähnliche Art wurde die Allergen-Immuntherapie gemeinhin als „Spezialbehandlung mit wenig Heilerfolgen“ abgetan.

Während die Allergologen gezwungen waren, sich gegen die Vorwürfe der Quacksalberei zur Wehr zu setzen, wandten sich ihre Patienten immer stärker an alternative Heilpraktiker. Im April 1992 gab ein Bericht des Committee on Clinical Immunology and Allergy (Abteilung für klinische Immunologie und Allergie) des Royal College of Physicians zu, die rasche Zunahme von Kliniken, die seit den 1980er-Jahren alternative Behandlungsformen anboten, und die steigende Tendenz von Patienten, alternative Heilpraktiker zu konsultieren, würde die „Unzufriedenheit mit der vom nationalen Gesundheitsdienst erhältlichen Allergiebehandlung“ zeigen. Obwohl der Bericht skeptisch war, was die Wirksamkeit vieler alternativer Behandlungsmethoden anging, zeigten Folgeuntersuchungen sowohl in Großbritannien als auch in Nordamerika, dass Patienten sich Ende des 20. Jahrhunderts zunehmend von konventionellen Behandlungsmethoden abwandten.

Eine von der National Asthma Campaign durchgeführte Studie enthüllte zum Beispiel, dass mehr als 50 Prozent der Patienten mit Asthma zusätzliche Behandlungen ausprobiert hatten. Ganz ähnlich bemerkte das Royal College of Physicians 2003 mit charakteristischem Zynismus, dass die von vielen Menschen mit Allergien durchrittene Schwere der Symptome nicht nur „die Leute gezwungen hat, sich außerhalb des NHS umzusehen“, sondern sie hätten auch die „Ausbreitung von dubiosen Allergiepraktiken auf dem Gebiet der Naturheilkunde und alternativen Medizin erleichtert, wo ungeprüfte Mittel zur Diagnose und Behandlung angewandt werden“. Natürlich war der Trend zu alternativen Heilmethoden nicht allein auf Allergien beschränkt. So stiegen die Verkaufszahlen von Phytomedizin gegen Depressionen in den 1990er-Jahren deutlich an. Auch waren Konflikte auf beruflicher Ebene zwischen konventionellen und alternativen Ärzten nichts Neues. Im gesamten 18. und 19. Jahrhundert hatten sich zugelassene Ärzte um eine Klärung der Grenze zwischen „regulären“ und „irregulären“ Ärzten bemüht, damit Quacksalber und Kurpfuscher von dem ferngehalten werden konnte, was mehr und mehr als die offizielle, staatlich finanzierte Medizin angesehen wurde. Dennoch wurden die Auseinandersetzungen über die Allergiebehandlung im späten 20. Jahrhundert zunehmend von einem tiefen Riss zwischen moderner Medizin und Gesellschaft gekennzeichnet.