Start Frauengesundheit Zu viel Duschen schadet der Haut? Ein Arzt erklärt, warum weniger oft...

Zu viel Duschen schadet der Haut? Ein Arzt erklärt, warum weniger oft mehr ist

56

Müssen wir wirklich so oft duschen? Ein Arzt hinterfragt unsere Hygienegewohnheiten
Unsere Haut ist das größte Organ unseres Körpers – mit einer Oberfläche von etwa 1,4 bis 1,9 Quadratmetern. Manche Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass die tatsächliche Fläche zehnmal größer sein könnte, wenn man die vielen feinen Strukturen wie Haarfollikel und Schweißdrüsen mit einberechnet. Sie ist unsere erste Verteidigungslinie gegen Umwelteinflüsse, hält Feuchtigkeit im Körper und schützt uns vor Krankheitserregern. Doch obwohl die Haut diese komplexen Schutzmechanismen besitzt, reinigen wir sie oft übermäßig – besonders in westlichen Gesellschaften wie den USA, wo der Markt für Hygiene- und Pflegeprodukte jährlich über 100 Milliarden Dollar umsetzt.

Doch ist all das wirklich notwendig? Oder tun wir unserer Haut manchmal sogar einen Gefallen, wenn wir weniger tun? Diese Frage stellte sich Dr. James Hamblin, Arzt für Präventivmedizin, Autor und Dozent an der Yale School of Public Health. Um das herauszufinden, verzichtete er für fünf Jahre auf das traditionelle Duschen – ein Experiment, das er in seinem Buch „Clean: The New Science of Skin“ dokumentierte.

Wie viel Körperpflege ist wirklich notwendig?
Hamblin wollte herausfinden, wie viel von unserer täglichen Pflegeroutine wirklich medizinisch notwendig ist und was einfach nur auf Gewohnheit oder Marketing beruht. „Wie viel von dem, was wir für unsere Hygiene tun, schützt uns tatsächlich vor Krankheiten – und wie viel ist einfach nur ein Ritual?“ fragte er sich.

Dabei geht es nicht darum, dass er fünf Jahre lang gar nicht geduscht hat. Vielmehr war es ein schrittweiser Prozess: Er reduzierte die Nutzung von Seife, Shampoo und anderen Produkten und beobachtete, wie sich seine Haut veränderte. Seine Erkenntnis: Viele Pflegeprodukte sind weniger wichtig für unsere Gesundheit, als uns die Werbung glauben macht.

Hygiene ist nicht gleich Körperpflege
Einer der wichtigsten Punkte, den Hamblin betont, ist der Unterschied zwischen Hygiene und Körperpflege.
– Hygiene bedeutet Maßnahmen zur Vermeidung von Krankheiten, zum Beispiel Händewaschen nach dem Toilettengang oder beim Zubereiten von Speisen.
– Körperpflege hingegen ist eine persönliche Entscheidung, die oft durch gesellschaftliche Normen, Werbekampagnen und individuelle Vorlieben geprägt ist.
Tatsächlich könnte eine Person, die wochenlang nicht geduscht hat, aber regelmäßig die Hände wäscht, völlig gesund sein – während jemand, der täglich duscht, aber keine gute Handhygiene hat, ein größeres Risiko hat, Krankheiten zu übertragen.

Die Haut hat ein eigenes Ökosystem – und wir stören es ständig
Ein zentrales Argument von Hamblin ist, dass unsere Haut ein eigenes, hochkomplexes Mikrobiom besitzt – ein Netzwerk von Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen, das uns schützt und unser Immunsystem beeinflusst. Ähnlich wie im Darm gibt es auch auf der Haut ein empfindliches Gleichgewicht zwischen nützlichen und potenziell schädlichen Mikroben.

Jedes Mal, wenn wir heiß duschen und uns mit Seife einreiben, entfernen wir nicht nur Schmutz, sondern auch die natürlichen Hautöle und Mikroben, die unsere Haut schützen. Das führt dazu, dass sich die Haut oft trocken anfühlt – woraufhin viele Menschen wieder Feuchtigkeitscremes oder spezielle Pflegeprodukte nutzen, um den „Schaden“ zu reparieren.

Laut Hamblin kann zu häufiges Duschen oder die Verwendung aggressiver Seifen dazu führen, dass sich Hautprobleme wie Ekzeme oder Akne verschlimmern. Der Prozess gleicht der Abholzung eines Waldes: Wer den natürlichen Lebensraum zerstört, verändert das gesamte Ökosystem – und es kann lange dauern, bis sich die Balance wieder einstellt.

Warum haben wir das Bedürfnis, uns täglich zu waschen?
Unsere heutigen Körperpflegegewohnheiten sind nicht nur durch individuelle Vorlieben, sondern auch durch gesellschaftliche Normen und Marketingkampagnen geprägt.
– Schon als Kinder lernen wir, wie man „richtig“ duscht, doch mit der Zeit entwickelt jeder seine eigene Routine.
– Die Kosmetikindustrie bewirbt ständig neue Produkte – von Duschgels bis hin zu spezialisierten Seifen und Peelings.
– Soziale Medien und Werbung vermitteln uns das Gefühl, dass wir nur dann wirklich sauber sind, wenn wir täglich duschen, Shampoo verwenden und unsere Haut mit Pflegeprodukten versorgen.

Tatsächlich gibt es keine allgemeingültige Regel für eine „richtige“ Körperpflege. Während manche Menschen täglich duschen, um sich frisch zu fühlen, reicht es anderen, sich alle paar Tage mit Wasser abzuspülen.

Wie kann man seine Haut sanfter pflegen?
Hamblin betont, dass er niemandem vorschreiben möchte, wie oft man duschen sollte. Aber wer seine Haut schonen will, kann ein paar einfache Veränderungen vornehmen:
1. Seife gezielt einsetzen: Seife ist nützlich, um Fett und Schmutz zu lösen, aber sie muss nicht überall am Körper verwendet werden. Hände, Füße und Achseln sollten regelmäßig gereinigt werden – der Rest des Körpers kann oft einfach mit Wasser abgespült werden.
2. Kürzer duschen und weniger heißes Wasser verwenden: Heißes Wasser entfernt mehr natürliche Hautöle als lauwarmes oder kaltes Wasser. Wer trockene Haut hat, sollte weniger oft und mit kühlerem Wasser duschen.
3. Die Haut nicht ständig schrubben: Zu häufiges Peelen oder Schrubben kann die natürliche Schutzbarriere der Haut zerstören und sie empfindlicher machen.
4. Marketing kritisch hinterfragen: Viele Hautpflegeprodukte enthalten ähnliche Inhaltsstoffe – oft ist das günstigste Produkt genauso gut wie eine teure Marke.
5. Den eigenen Körper beobachten: Wer feststellt, dass seine Haut weniger trocken oder gereizt ist, wenn er seltener duscht oder weniger Seife verwendet, kann seine Routine entsprechend anpassen.

Hat die Pandemie unser Hygiene-Bewusstsein verändert?
Während der Covid-19-Pandemie war das Hauptziel der Hygiene, die Verbreitung von Krankheitserregern zu minimieren. In dieser Zeit achteten Menschen besonders darauf, sich regelmäßig die Hände zu waschen und Desinfektionsmittel zu nutzen – was in einer Gesundheitskrise absolut sinnvoll ist.

Allerdings hat diese Phase laut Hamblin dazu geführt, dass das Interesse an natürlicher Hautpflege und dem Hautmikrobiom vorübergehend in den Hintergrund rückte. Erst jetzt kehrt langsam das Bewusstsein dafür zurück, dass nicht alle Bakterien auf unserer Haut schädlich sind und dass übermäßige Hygiene manchmal mehr Schaden als Nutzen bringen kann.

Fazit: Weniger ist oft mehr
Hamblins Experimente und Forschung zeigen, dass unsere Haut ein selbstregulierendes System ist, das nicht ständig mit Seifen und Pflegeprodukten behandelt werden muss. Natürlich sollte niemand auf Hygiene verzichten – aber es lohnt sich, kritisch zu hinterfragen, wie oft und warum wir bestimmte Rituale befolgen.

Vielleicht brauchen wir nicht jeden Tag eine ausgiebige Dusche mit mehreren Pflegeprodukten. Vielleicht reicht es, sich auf die wesentlichen hygienischen Maßnahmen zu konzentrieren und der Haut mehr Raum zur Selbstregulation zu geben. Wer achtsam mit seinem Hautmikrobiom umgeht, könnte nicht nur eine gesündere Haut, sondern auch ein besseres Wohlbefinden erleben – ganz ohne übermäßigen Pflegeaufwand.