Start Gesundheitstipps Darm-Hirn-Achse und Autismus: Neue Erkenntnisse und Therapieansätze aus der Forschung

Darm-Hirn-Achse und Autismus: Neue Erkenntnisse und Therapieansätze aus der Forschung

7

Darmgesundheit und Autismus: Neue Perspektiven in der Forschung
Professor Fasano: Eine persönliche Mission zur Unterstützung von Familien
Professor Alessio Fasano, Gastroenterologe am Massachusetts General Hospital in den USA, hat nicht nur durch seine Forschung, sondern auch durch sein persönliches Umfeld tiefe Einblicke in die Herausforderungen von Familien mit autistischen Kindern gewonnen. Freunde und Verwandte von ihm stehen täglich vor der Herausforderung, Kinder mit Autismus zu betreuen – einer neurologischen Störung, die durch beeinträchtigtes Sozialverhalten und Schwierigkeiten in der Kommunikation gekennzeichnet ist.

„Eltern befinden sich oft in einer Parallelwelt, in der die Kommunikation mit ihrem Kind enorm schwierig ist und sie das Gefühl haben, nichts tun zu können“, sagt Fasano. Genau das motivierte ihn, nach Lösungen zu suchen.

Autismus verstehen: Ursachen und Zunahme der Diagnosen
Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) werden oft innerhalb der ersten zwei Lebensjahre eines Kindes diagnostiziert. Wissenschaftler vermuten, dass die Ursachen eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren sind. Dazu gehören pränatale Belastungen wie Infektionen, Schadstoffexposition oder mütterlicher Diabetes.

Die Zahl der gemeldeten Fälle von Autismus ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen, was teilweise auf erweiterte diagnostische Kriterien zurückzuführen sein könnte. Schätzungen zufolge betrifft Autismus weltweit mindestens eine von 100 Personen, wobei die tatsächliche Zahl möglicherweise höher liegt. Informationen aus dem GEMMA-Projekt deuten darauf hin, dass bis zu eines von 36 Kindern betroffen sein könnte.

Darm-Hirn-Achse: Ein neues Forschungsfeld
Fasano glaubt, dass die Gesundheit des Darms eine Schlüsselrolle bei der Behandlung einiger autistischer Verhaltensweisen spielen könnte. Die Kommunikation zwischen dem Darm und dem Gehirn, bekannt als Darm-Hirn-Achse, beeinflusst nachweislich viele neurologische Erkrankungen, einschließlich Autismus.

„Es gibt überzeugende Beweise dafür, dass die Darm-Hirn-Kommunikation bei Autismus gestört ist“, erklärt Fasano. „Das eröffnet die Möglichkeit, dass mikrobiombasierte Behandlungen eine sichere therapeutische Option sein könnten.“

Das GEMMA-Projekt: Autismus durch den Darm behandeln
Der Zusammenhang zwischen Darmgesundheit und Autismus
Eine gesunde Darmwand fungiert als Barriere, die essenzielle Nährstoffe durchlässt und schädliche Substanzen zurückhält. Wenn diese Barriere jedoch durchlässig wird – ein Zustand, der als „leaky gut“ bekannt ist –, gelangen Schadstoffe in den Körper, was Entzündungen auslöst. Diese Entzündungen könnten auch neuroinflammatorische Prozesse im Gehirn fördern, die mit Autismus in Verbindung stehen.

Das GEMMA-Projekt, das bis Ende 2024 läuft, untersucht diese Zusammenhänge bei 500 Säuglingen, die Geschwister von Kindern mit Autismus sind. Diese Kinder haben ein zehnfach erhöhtes Risiko, ebenfalls Autismus zu entwickeln. Die Forscher analysieren unter anderem die Darmmikrobiota der Kinder und deren Einfluss auf die Integrität der Darmwand.

Probiotika und Präbiotika: Potenzielle Therapien
GEMMA arbeitet daran, das Gleichgewicht des Mikrobioms wiederherzustellen und die Darmbarriere zu reparieren. Ein Ansatz ist die Entwicklung von Behandlungen, die gesunde Bakterien (Probiotika) und präbiotische Ballaststoffe kombinieren. Diese könnten nicht nur die häufigen Darmprobleme bei autistischen Kindern lindern, sondern auch deren Verhaltenssymptome verbessern.

Fasano hofft, dass eines Tages eine einfache Stuhlprobe ausreicht, um Autismus frühzeitig zu diagnostizieren und die Behandlung vor dem Auftreten von Symptomen zu beginnen. „Unser Ziel ist Präzisionsmedizin“, sagt er.

Das CANDY-Projekt: Gemeinsamkeiten zwischen neurologischen Störungen
Verbindungen zwischen Autismus, ADHS und Epilepsie
Während GEMMA sich auf Autismus konzentriert, untersucht das EU-finanzierte CANDY-Projekt unter der Leitung von Professor Jan Buitelaar aus den Niederlanden die gemeinsamen Mechanismen verschiedener neurologischer Störungen. Dazu gehören Autismus, ADHS, Epilepsie und geistige Behinderungen.

„Es ist keine Seltenheit, dass ein Kind mit Autismus auch ADHS hat oder dass Geschwister eines Menschen mit geistiger Behinderung Epilepsie entwickeln“, erklärt Buitelaar. Ziel von CANDY ist es, genetische und immunologische Verbindungen zwischen diesen Störungen zu identifizieren und neue Ansätze zur Prävention und Behandlung zu entwickeln.

Mikrobiom und genetische Profile
Das Projekt sammelt Proben von Stuhl, Urin, Blut und Speichel, um die Rolle des Mikrobioms bei neuroentwicklungsbedingten Störungen zu analysieren. Buitelaar und sein Team untersuchen, ob bestimmte Bakterienarten häufiger bei Menschen mit schweren Formen von Autismus vorkommen und wie dieses Wissen zur Entwicklung neuer Therapien genutzt werden kann.

CANDY zielt ebenso wie GEMMA darauf ab, neurologische Störungen schneller zu diagnostizieren. Eine frühzeitige Erkennung könnte der Schlüssel sein, um präventiv zu handeln oder Symptome besser zu behandeln.

Ein Schritt in die Zukunft der neurologischen Forschung
Die Projekte GEMMA und CANDY zeigen auf, wie wichtig interdisziplinäre Ansätze in der Forschung sind. Durch die Untersuchung der Darm-Hirn-Achse und der Mikrobiom-Zusammensetzung könnten Wissenschaftler nicht nur Autismus, sondern auch verwandte Störungen wie ADHS und Epilepsie besser verstehen und behandeln.

Fasano und Buitelaar teilen eine Vision: Eine Welt, in der Autismus und andere neurologische Störungen frühzeitig erkannt und effektiv behandelt werden können. Mit innovativen Therapien, die auf der Darmgesundheit basieren, und gezielten Präventionsansätzen scheint eine bessere Zukunft für Betroffene und ihre Familien zum Greifen nah.

Informationsquelle: who . int