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Mario Draghi: Ein Fahrplan zur Stärkung des EU-Pharmasektors

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Mario Draghi hat einen ehrgeizigen Plan für die Zukunft des Pharmasektors der Europäischen Union vorgelegt. In seinem kürzlich veröffentlichten Bericht fordert er besseren Zugang zu Gesundheitsdaten, um die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) zu fördern, sowie gezielte öffentliche Investitionen in Gentherapien, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU in der globalen Pharmabranche zu sichern. Draghi warnte eindringlich, dass es zu einer „langsamen Agonie“ kommen könnte, wenn diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden.

Der Rückgang der Innovationskraft in Europa
Laut dem Bericht hat die Pharmaindustrie in Europa, einst eine führende Kraft im Bereich Innovation, in den letzten Jahren an Schwung verloren. Obwohl der Pharmasektor weltweit immer noch in Bezug auf den Handelswert führend ist, verliert er zunehmend an Marktanteilen in dynamischen Bereichen wie Gentherapien und KI-gestützte Gesundheitslösungen, insbesondere gegenüber Unternehmen aus den USA. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist laut Bericht die geringere Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E) in Europa im Vergleich zu den USA. Zudem wird das regulatorische Umfeld als Hindernis genannt: Neue Medikamente werden in den USA im Durchschnitt 100 Tage schneller zugelassen als in Europa.

Vorschläge zur Stärkung der EU-Pharmaindustrie
Draghi hat in seinem Bericht neun Reformvorschläge ausgearbeitet, die von marktorientierten Reformen bis hin zu vereinfachten Regulierungsprozessen reichen. Diese Vorschläge zielen darauf ab, private Investitionen zu mobilisieren, die Planungssicherheit für Unternehmen zu verbessern und den Zugang zu innovativen Arzneimitteln zu beschleunigen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Einbindung von Künstlicher Intelligenz, die die Produktivität der Forschung steigern und die medizinische Versorgung präziser und effizienter gestalten könnte.

Das Potenzial von KI im Gesundheitswesen freisetzen
Draghi betont, dass die Künstliche Intelligenz das Potenzial hat, den Gesundheitssektor grundlegend zu verändern. Durch den Einsatz von KI können Forscher repetitive, zeitaufwändige Aufgaben automatisieren, was die Effizienz steigern und gleichzeitig die Qualität der Versorgung verbessern könnte. Trotz dieser vielversprechenden Aussichten hinkt Europa bei den Investitionen in Gesundheits-KI hinterher. Im Jahr 2022 betrugen die Investitionen der EU in diesen Bereich 2,35 Milliarden Euro, verglichen mit 4,26 Milliarden Euro in Nordamerika und 2 Milliarden Euro im asiatisch-pazifischen Raum. Angesichts der Tatsache, dass die globalen Ausgaben für KI im Gesundheitswesen jährlich um mehr als 40 % steigen sollen, betont Draghi, dass Europa diese Chance nicht verpassen darf.

EHDS: Ein Schritt in die richtige Richtung
Ein zentraler Aspekt in Draghis Bericht ist der Zugang zu Gesundheitsdaten, der als wesentlich für die Entwicklung von KI im Pharmasektor angesehen wird. Die Europäische Union hat kürzlich den European Health Data Space (EHDS) eingeführt, ein neues Framework, das den Austausch von sensiblen Gesundheitsdaten über Landesgrenzen hinweg für Forscher, Politiker und Einzelpersonen erleichtern soll. Draghi lobt den EHDS als einen wichtigen Schritt zur Stärkung der pharmazeutischen Forschung in der EU, hebt aber auch hervor, dass die Fragmentierung in der EU weiterhin ein großes Hindernis darstellt.

Herausforderungen bei seltenen Krankheiten und Orphan Drugs
Ein weiterer Bereich, in dem die EU laut Draghi aufholen muss, sind sogenannte Orphan Drugs, die auf seltene Krankheiten und bisher ungedeckte medizinische Bedürfnisse abzielen, etwa bei neurodegenerativen Erkrankungen. Der EHDS und die Förderung länderübergreifender klinischer Studien könnten hier eine entscheidende Rolle spielen, um die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten zu beschleunigen.

Fokussierung öffentlicher Investitionen auf ATMPs
Einer der wichtigsten Vorschläge in Draghis Bericht betrifft die öffentliche Finanzierung. Er schlägt vor, dass die EU ihre Mittel auf eine begrenzte Anzahl von Innovationszentren im Bereich Lebenswissenschaften konzentriert, insbesondere im Bereich der Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs), also Zell- und Gentherapien. Diese neuartigen Therapien zielen darauf ab, genetische Krankheiten durch den Austausch, das Schweigen oder die Einführung von Genen zu behandeln. ATMPs sind zwar nicht neu, haben jedoch erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die erste Gentherapie für eine ultra-seltene Krankheit wurde in der EU im Jahr 2012 zugelassen.

Der Weg nach vorne: Ein Biotech-Gesetz im Jahr 2025
Um die regulatorischen Hindernisse abzubauen, plant die Europäische Kommission, im Jahr 2025 ein Biotech-Gesetz vorzulegen, das die Prozesse im Bereich Lebenswissenschaften vereinfachen soll. Dies wird als entscheidend angesehen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der globalen Biotechnologie- und Pharmaindustrie zu stärken.

Fazit: Dringender Handlungsbedarf für Europa
Mario Draghi betont, dass seine Empfehlungen schnell umgesetzt werden müssen, um Europas Pharmaindustrie wieder auf Augenhöhe mit den globalen Marktführern zu bringen. Er fordert ein zusammenhängendes Lebenswissenschaftsstrategiekonzept mit einer starken Aufsicht durch die Europäische Kommission, um sicherzustellen, dass Europa nicht den Anschluss an wichtige Zukunftssektoren wie KI und Gentherapien verliert. Angesichts des rasanten Wachstums dieser Bereiche sind entschlossene Maßnahmen dringend erforderlich, um die Innovationskraft der EU zu stärken und die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu verbessern.

Informationsquelle: who . int