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Frühzeitige Pubertät bei Mädchen: Rätselhafte Ursachen und mögliche Einflussfaktoren

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Früher Pubertätsbeginn bei Mädchen: Rätsel für die Wissenschaft
In den letzten Jahrzehnten haben Forscher weltweit beobachtet, dass Kinder immer früher in die Pubertät eintreten. Besonders bei Mädchen wird dieser Trend vermehrt festgestellt, und die Gründe dafür sind nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Obwohl es vielversprechende Hinweise gibt, haben Wissenschaftler noch keine endgültige Antwort auf die Frage, warum immer mehr Mädchen vorzeitig die Pubertät beginnen. Es scheint eine Kombination aus Umwelt-, Lebensstil- und Stoffwechselfaktoren zu sein, die diesen Wandel antreibt.

Normalerweise beginnt die Pubertät bei Mädchen im Durchschnitt mit 11 Jahren und bei Jungen mit 12 Jahren. Tritt sie jedoch früher ein, also bereits im Alter von 7 Jahren oder jünger bei Mädchen und 8 Jahren oder jünger bei Jungen, spricht man von vorzeitiger Pubertät. Diese kann langfristige gesundheitliche Folgen wie Fettleibigkeit, Diabetes, psychische Probleme und sogar ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs mit sich bringen.

Ein globales Phänomen: Warum tritt Pubertät immer früher ein?
In den 1990er Jahren entdeckten Ärzte in den USA, dass amerikanische Mädchen früher in die Pubertät eintreten, doch diese Beobachtung galt nicht für europäische Kinder. Forscher führten diese Diskrepanz auf die Adipositas-Epidemie in den USA zurück, die in Europa, insbesondere in Ländern wie Dänemark, wo die Daten erhoben wurden, weniger ausgeprägt war. Doch seit den frühen 2000er Jahren hat sich dieser Trend geändert. Auch in Europa, von Dänemark bis Italien, beginnen immer mehr Kinder früher in die Pubertät.

Laut einer weltweiten Untersuchung hat sich das durchschnittliche Alter für den Brustwachstum bei Mädchen, einem wichtigen Marker für die Pubertät, seit 1977 um etwa drei Monate pro Jahrzehnt verringert. Diese Tendenz hält bis heute an, und die Gründe dafür bleiben weiterhin rätselhaft. Dr. Anders Juul, ein weltweit führender Experte für Pubertätsveränderungen am Kopenhagener Universitätskrankenhaus, äußerte gegenüber Euronews Health Bedenken darüber, dass die Wissenschaft noch nicht genau weiß, was diese Entwicklung antreibt. Ohne klare Antworten könne es in Zukunft schwierig sein, Präventionsstrategien zu entwickeln.

Der Einfluss von Übergewicht und Ernährung auf die Pubertät
Eine Theorie, die Forscher weiterverfolgen, ist, dass Ernährung und Übergewicht eine Rolle spielen könnten. Fettgewebe produziert das Hormon Leptin, das dem Körper signalisiert, dass er bereit ist, die Pubertät zu beginnen. Dies erklärt möglicherweise, warum übergewichtige Mädchen früher in die Pubertät eintreten, während bei übergewichtigen Jungen die Pubertät oft verzögert eintritt.

In Europa sind etwa ein Drittel der Kinder übergewichtig oder fettleibig, wobei die Raten in Südeuropa höher sind. Dies scheint jedoch nicht die alleinige Erklärung für den frühzeitigen Pubertätsbeginn zu sein. Eine dänische Studie, die über einen Zeitraum von 15 Jahren durchgeführt wurde, zeigte, dass der Body-Mass-Index (BMI) der Mädchen in den beiden Untersuchungsgruppen nicht signifikant unterschiedlich war, obwohl die Mädchen in der zweiten Gruppe im Durchschnitt ein Jahr früher in die Pubertät eintraten. Laut Ingvild Halsør Forthun, Forscherin an der Universität Bergen, ist es daher unwahrscheinlich, dass der BMI allein die Ursache ist.

Chemische Belastungen und hormonelle Veränderungen
Eine weitere vielversprechende Theorie besagt, dass endokrine Disruptoren – chemische Substanzen, die das Hormonsystem beeinflussen – den Pubertätsbeginn vorverlegen könnten. Diese Chemikalien finden sich in alltäglichen Produkten wie Lebensmitteln, Kunststoffen und Körperpflegeprodukten. Eine globale Studie vermutet, dass eine Vielzahl dieser Substanzen zusammen wie Hormone wirken und den Körper veranlassen könnten, früher in die Pubertät einzutreten.

Die Beweislage zu diesem Thema ist jedoch noch nicht schlüssig. Juul wies darauf hin, dass es schwierig sei, eindeutige Beweise für den Zusammenhang zwischen diesen Chemikalien und der Pubertätsentwicklung zu liefern. Ein spezifischer Stoff, der in der Forschung genauer untersucht wurde, sind die per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), auch bekannt als „Ewigkeitschemikalien“, da sie schwer abbaubar sind und in vielen Konsumgütern vorkommen. Eine norwegische Studie zeigte, dass Jungen mit höheren PFAS-Konzentrationen später in die Pubertät eintraten. Dies unterstreicht, dass Chemikalien Mädchen und Jungen unterschiedlich beeinflussen können.

Lebensstilfaktoren und der Einfluss der Pandemie
Ein weiterer Faktor, der möglicherweise eine Rolle spielt, sind Lebensstilveränderungen. Während der frühen Monate der COVID-19-Pandemie berichteten italienische Ärzte von einer Zunahme junger Mädchen, die vorzeitig Anzeichen der Pubertät zeigten. Die Zahl der Überweisungen an pädiatrische Endokrinologie-Kliniken stieg von 140 Mädchen im Jahr 2019 auf 328 Mädchen im Jahr 2020 an. Forscher glauben, dass der Rückgang der körperlichen Aktivität und die vermehrte Bildschirmnutzung während der Pandemie eine Rolle gespielt haben könnten. Interessanterweise wurde jedoch kein Anstieg des BMI beobachtet, was darauf hindeutet, dass körperliche Inaktivität möglicherweise unabhängig von Fettleibigkeit mit dem frühen Pubertätsbeginn verbunden ist.

Dr. Marco Cappa, Endokrinologe am Bambino Gesù-Kinderkrankenhaus in Rom, wies auch darauf hin, dass der durch die Pandemie verursachte Stress ein weiterer Faktor sein könnte. Diese Kombination von Faktoren könnte erklären, warum während der Pandemie mehr Kinder vorzeitig in die Pubertät eintraten.

Weitere potenzielle Ursachen
Zusätzlich zu Umwelt- und Lebensstilfaktoren untersuchen Forscher auch, wie Stress – sowohl während der Schwangerschaft als auch im späteren Leben eines Kindes – den Pubertätsbeginn beeinflussen könnte. Studien haben gezeigt, dass Kinder aus Familien mit abwesenden Vätern häufiger vorzeitig in die Pubertät eintreten, unabhängig von ihrem Geschlecht. Auch Einzelkinder tendieren dazu, früher in die Pubertät zu kommen als Kinder mit Geschwistern.

Einige dieser Faktoren könnten miteinander überlappen. Mütter geben während der Schwangerschaft und Stillzeit Chemikalien wie PFAS an ihre Kinder weiter, wobei erstgeborene Kinder oft höhere PFAS-Werte haben als ihre jüngeren Geschwister. Ebenso sind Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten eher von Fettleibigkeit betroffen, was auf eine Mischung aus sozioökonomischen und stoffwechselbedingten Faktoren hinweisen könnte.

Forschung für die Zukunft
Trotz der Fortschritte bei der Identifizierung möglicher Ursachen bleibt vieles unklar. Weitere Forschung ist notwendig, um die Mechanismen besser zu verstehen, die den frühzeitigen Beginn der Pubertät antreiben. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass es entscheidend ist, diese Faktoren zu entschlüsseln, um Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können, die dazu beitragen, die langfristige Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern weltweit zu schützen.

Die Frage nach dem frühzeitigen Pubertätsbeginn bleibt ein komplexes und vielschichtiges Rätsel, das Forscher weiterhin vor Herausforderungen stellt. Es wird jedoch zunehmend deutlich, dass eine Kombination aus Umweltfaktoren, Ernährung, Lebensstil und möglicherweise auch Stress dazu beiträgt, dass Kinder immer früher in die Pubertät eintreten.

Informationsquelle: who . int